Neben diesen Darstellungen beinhaltet der Bogen auch Geschlechtsteilzeichnungen, um Sexualdelikte zu dokumentieren.

Faksimile: Projekt Medpol

Wien – Ob ein sexueller Übergriff oder sonst eine Gewalttat beweisbar ist, hängt laut der Gerichtsmedizinerin Andrea Berzlanovich sehr von der Dokumentation des Geschehens, der Verletzungen und der Spuren ab. Die Dokumentation müsse möglichst zeitnah zur Tat und gründlich erfolgen.

Leider lasse das im Fall gewaltbetroffener Frauen – aber nicht nur bei ihnen – nach wie vor oft zu wünschen übrig, sagte Berzlanovich bei der Vorstellung der diesjährigen interdisziplinären Ringvorlesung "Eine von fünf: Gewaltschutz für Frauen in allen Lebenslagen" am Mittwoch. Vor allem Ärzte – neben der Polizei oft die ersten Kontaktpersonen gewaltbetroffener Frauen nach der Tat – würden es verabsäumen, nicht behandlungsbedürftige, aber aussagekräftige Verletzungen zu dokumentieren. Etwa Fingerdruckspuren an Oberarmen oder – nach Vergewaltigungen – Hämatome an Oberschenkelinnenseiten.

Frage der Ärzte-Grundausbildung

Denn, so Berzlanovich: "Das Erkennen von Gewaltspuren ist in der Ärztegrundausbildung nicht verankert." Bei Krankenpflegern und Polizisten sei das anders.

Um Abhilfe zu schaffen, haben Gerichtsmediziner in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Ärztekammer und dem Innenministerium im Rahmen des Projekts Medpol einen Dokumentationsbogen entworfen. Auf vier Seiten werden alle Fragen gestellt, auf die es Antworten braucht, um über Gewalttaten gerichtsgeeignete Informationen zusammenzutragen.

Anleitung zu CSI

Um Verletzungen möglichst präzise zu beschreiben, stehen Zeichnungen von Kopf und Körper zur Verfügung. Und es gibt Handlungsanleitungen: Habe etwa das Opfer den Täter gekratzt, so gelte: "Unterseite der Fingernägel beider Hände mit je einem feuchten Wattetupfer abreiben und asservieren."

Laut Berzlanovich wird der Dokumentationsbogen bei der Wiener Polizei nach Sexualstraftaten routinemäßig verwendet. In den Spitälern des Wiener Krankenanstaltenverbunds arbeiten die seit 2009 bestehenden Opferschutzgruppen mit ihm. Bei der Österreichischen Ärztekammer heißt es, man habe die Ärzte über den Bogen informiert. Dennoch, so Berzlanovich: "Im Endeffekt wird er nur selten genutzt."

Die Ringvorlesung über Gewalt an Frauen wird von der Med-Uni Wien und den Frauenhäusern sowie heuer erstmals von der Volksanwaltschaft mitorganisiert. Sie findet von 24. November bis 15. Dezember statt. (bri, 22.9.2016)