Im Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel weiden neben Graurindern etwa 50 Wasserbüffel (im Bild).

Foto: Foto: Archiv Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel

Wien – Die Landschaft Mitteleuropas wurde jahrtausendelang von großen Pflanzenfressern wie dem Auerochsen und dem Tarpan, dem europäischen Wildpferd, geprägt: Durch ihre Weidetätigkeit sorgten sie für die Entstehung von offenen Flächen in den sonst geschlossenen Wäldern. In der Neuzeit erfüllten lange Zeit grasende Nutztiere diese Funktion, doch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verschwanden im Zuge der Industrialisierung der Landwirtschaft auch sie.

Weil in der Natur alles zusammenhängt, blieb ihr Wegfall nicht ohne Folgen: Ohne regelmäßige Beweidung verbuschen Wiesenflächen, und früher oder später kommt auf ihnen wieder Wald auf. Für Pflanzen- und Tierarten, die auf kurzrasige Wiesen oder offenen Boden angewiesen sind, bleibt da kaum Platz.

Landschaftspflege

Der Effekt der großen Huftiere auf die Landschaft lässt sich teilweise durch Mahd ersetzen. Das ist jedoch teuer, und sumpfige und unwegsame Gebiete lassen sich oft gar nicht maschinell mähen. Aus diesem Grund setzt man in heiklen Lebensräumen oft auf "natürliche Rasenmäher". Die Huftiere, die dabei zum Einsatz kommen, sorgen nebenbei oft auch gleich für die Erhaltung gefährdeter alter Haustierrassen: So sind im Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel unter anderem circa 100 Mangalitza-Schweine und mehr als 400 Graue Ungarische Steppenrinder, eine im 17. Jahrhundert in Ungarn gezüchtete Rasse, unterwegs. Schweine wie Rinder erfüllen nicht nur eine landschaftspflegerische Aufgabe, sie sind auch wertvolle Fleischlieferanten. Dem reinen Naturschutzzweck dagegen dienen eine rund 25 Tiere umfassende Herde Weißer Esel und eine zwölfköpfige Gruppe von Przewalski-Pferden.

Der Effekt der Beweidung auf die Tier- und Pflanzenwelt wird auch wissenschaftlich untersucht. Immerhin ist es das erklärte Ziel, mit dieser Maßnahme seltene Arten zu schützen bzw. zu fördern. Das gilt – neben vielen anderen – für so bekannte und sichtbare Arten wie den Weißstorch oder den Wiedehopf, die für ihre Nahrungssuche kurzrasige Wiesen brauchen, aber auch für versteckter lebende, kleinere Tiere, wie etwa die bis zu vier Zentimeter große Südrussische Tarantel, die ihre Brutröhren in halbfeuchten Sand gräbt. Passende Stellen dafür findet sie seit der Beweidung leichter, denn so entstehen an trockenen Stellen auch sandige, weitgehend offene Areale.

Ein von 2012 bis 2014 bei Apetlon am Neusiedler See durchgeführtes Monitoring der Beweidung durch Graurinder zeigt, dass die großen Pflanzenfresser den gewünschten Erfolg haben: So finden sich nach rund 30-jähriger Beweidung auf ihrem rund 1000 Hektar großen Weidegebiet bedeutende Bestände von Stelzenläufern, Säbelschnäblern, Kiebitzen, Rotschenkeln und Seeregenpfeifern. Sie alle profitieren davon, dass die Rinder schilffreie Uferzonen geschaffen haben. Auch der Graugans sagen die vermehrten offenen Weideflächen zu: "Ihr Bestand hat sich seit Beginn der Beweidung 1985 nach einer Auswertung von BirdLife vervielfacht", freut sich Monitoring-Projektleiter Ingo Korner. Extrem wichtig ist die Beweidung auch für Salzpflanzen, die am Ufer des Neusiedler Sees und an den Salzlacken des Seewinkels vorkommen. Die Rinder, aber auch im Gebiet grasende Pferde drängen den Schilfbestand stark zurück, sodass für die Salzvegetation deutlich mehr Lebensraum zur Verfügung steht.

Unterstützt werden die Graurinder bei ihrer Weidetätigkeit von ca. 50 Wasserbüffeln. "Beide Arten lassen sich – im Unterschied zu gewöhnlichen Rindern – kaum kontrollieren, knuspern dafür aber freiwillig am Schilf", wie Korner ausführt. "Normale Rinder machen das nur, wenn der Hirte und ein paar Hunde sie auf Flächen führen, wo es sonst nicht viel gibt." Erstaunlicherweise haben die Rinder auch das dichte Schlehdorn-Gebüsch, das auf erhöhten Standorten einer Weide bei den Zitzmannsdorfer Wiesen wuchs, deutlich aufgelichtet, obwohl der Schleh-Dorn nicht umsonst so heißt.

Beweidungsprojekt

Im Nationalpark Donau-Auen läuft derzeit ein Beweidungsprojekt mit Schottischen Hochlandrindern beim Schloss Eckartsau, und im WWF-Reservat Marchegg in den Unteren March-Auen grasen auf 70 Hektar neben fünf Wasserbüffeln und 15 Kühen samt ihren Kälbern seit dem Vorjahr auch Konik-Pferde. Es handelt sich dabei um eine Rasse, die im 19. Jahrhundert entstand, als sich Hauspferde mit den letzten damals noch überlebenden Tarpanen kreuzten. Sie zeichnet sich durch hohe Leistungsfähigkeit, extreme Anspruchslosigkeit und große Umgänglichkeit dem Menschen gegenüber aus. Pro Tag frisst ein Konik rund 32 Kilogramm Grünfutter – kein Wunder also, dass der Effekt der Pferde in den March-Auen schon nach nur einem Jahr sichtbar ist: "Die Vegetation ist merklich niedriger geworden, und auch freie Bodenstellen gibt es bereits wieder", fasst March-Auen-Projektleiter Gerhard Egger zusammen. Für große Veränderungen sei es noch zu früh, aber der Brutbestand des seltenen Neuntöters habe schon jetzt zugenommen.

Vorläufig ist die Pferdeherde noch zu klein, um die gewünschten Effekte garantieren zu können. Deshalb sind heuer zu den ursprünglichen sechs Stuten drei junge Hengste dazugekommen. Schließlich sollen es 20 Tiere werden, die dafür sorgen, dass die Unteren March-Auen für gefährdete Pflanzen- und Tierarten attraktiv bleiben oder wieder werden. (Susanne Strnadl, 1.10.2016)