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Ein prorussischer Separatist nahe der Absturzstelle. Das Bild stammt aus dem Jahr 2014.

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Die Ermittler präsentierten am Mittwoch ihre Untersuchungsergebnisse.

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Im Bild: die Buk-Rakete, die laut der Untersuchung zum Absturz des Flugzeugs geführt hat.

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Utrecht/Kiew – Mehr als zwei Jahre nach dem Abschuss des malaysischen Passagierfluges MH17 über der Ostukraine am 17. Juli 2014 haben die internationalen Ermittler am Mittwoch ihren ersten Zwischenbericht vorgelegt. Im Folgenden die wichtigsten Resultate im Überblick:

  • Die Rakete wurde von einem Feld bei Perwomajsk in der Nähe des ostukrainischen Ortes Schnischne aus abgeschossen. Das Gebiet stand zu dem Zeitpunkt unter der Kontrolle prorussischer Separatisten.
  • Die Boeing 777 wurde von einer Rakete der Serie 9M38 getroffen. Diese wurde von einer mobilen Einheit, einer Selbstfahrlafette Buk-Telar, abgefeuert.
  • Das Buk-Raketensystem wurde am frühen Morgen des 17. Juli 2014 aus Russland in die Ostukraine gebracht. Prorussische Rebellen hatten am Abend des 16. Juli nach Erkenntnissen des ukrainischen Geheimdiensts telefonisch darüber gesprochen, dass sie eine Buk-Raketeneinheit zur Verteidigung gegen ukrainische Luftangriffe brauchten. Die Namen der Telefonierenden wurden nicht genannt.
  • Das mobile Buk-System wurde nach dem Abschuss der Passagiermaschine, vermutlich schon am Abend des 17. Juli, wieder zurück nach Russland gebracht. Am 18. Juli befand es sich wieder in Russland.
  • Etwa 100 Personen wurden identifiziert, die am Transport der Rakete beziehungsweise dem Abschuss beteiligt gewesen sein sollen. Namen und Nationalitäten wurden nicht genannt.

Die internationalen Ermittler sehen Beweise für eine Beteiligung Russlands an dem Abschuss. Moskau wies den Bericht als "politisch motiviert" zurück. Die Boeing 777 der Malaysia Airlines war am 17. Juli 2014 auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur über der Ostukraine abgestürzt. An Bord waren 298 Menschen, darunter 196 Niederländer. Eine erste Untersuchung war im vergangenen Jahr zu dem Schluss gekommen, dass eine Buk-Rakete zu dem Absturz geführt hatte. Diese Raketen werden sowohl von den russischen als auch von den ukrainischen Streitkräften verwendet. Beide Seiten sowie die Separatisten wiesen bisher jegliche Verantwortung von sich.

Die Rakete sei von Russland aus in die Ukraine gebracht worden, gab die von der niederländischen Staatsanwaltschaft geleitete Untersuchungskommission am Mittwoch bekannt.

Animationsvideos der Untersuchungskommission.
Openbaar Ministerie
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Die von den Niederlanden geleiteten strafrechtlichen Ermittlungen bestätigen somit die Annahme, dass Russland eine Mitverantwortung an dem Vorfall trägt. Die Rakete sei aus Russland in die Ukraine gebracht und der Raketenwerfer nach dem Abschuss wieder "zurück nach Russland" transportiert worden, sagte der Ermittler Wilbert Paulissen.

Die Ermittler aus den Niederlanden, Belgien, Australien, Malaysia und der Ukraine hatten die Route des Waffentransports anhand von Fotos, Videos, Telefondaten und -mitschnitten sowie aufgrund von Augenzeugenberichten rekonstruiert. Das Waffensystem sei auf dem Anhänger eines weißen Volvo-Lastwagens in die Ostukraine transportiert worden, hieß es in dem Zwischenbericht. Der Lkw sei von anderen Fahrzeugen und "bewaffneten Männern in Uniform" eskortiert worden.

Keine Namen

Die Ermittler sehen es als erwiesen an, dass die Boden-Luft-Rakete von einem Feld aus abgeschossen wurde, das in einem damals von den Rebellen kontrollierten Gebiet lag, und dass das Abschussgerät in der darauffolgenden Nacht zurück nach Russland gebracht wurde. Sie identifizierten "fast hundert" mutmaßliche Beteiligte, nannten aber keine Namen. Es handle sich noch nicht offiziell um Verdächtige, sagte Staatsanwalt Fred Westerbeke. Die Strafermittler baten Insiderzeugen, sich zu melden. Die Ukraine bot ihnen einen Strafnachlass oder sogar den Verzicht auf strafrechtliche Verfolgung an.

Die erste Untersuchung zu MH17 unter Leitung der niederländischen Flugsicherheitsbehörde (OVV) hatte sich auf die Absturzursache konzentriert. Bei den strafrechtlichen Ermittlungen ging es nun vor allem um die Frage nach den Schuldigen. Die Angehörigen der Absturzopfer hoffen seit dem Vorfall darauf, dass die Verantwortlichen ausfindig gemacht und vor Gericht gestellt werden.

Ukraine beschuldigt Russland

Das ukrainische Außenministerium erklärte, die Ergebnisse bewiesen die "direkte Verwicklung" Russlands in den Abschuss. Deutschland, das derzeit den Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) führt, bezeichnete die Ermittlungen als "glaubwürdig". Es fehlten aber "noch weitere Ermittlungen, um wirklich Ross und Reiter zu benennen", sagte Außenamtssprecher Martin Schäfer.

Russland zeigte sich "enttäuscht". "Die Schlussfolgerungen der niederländischen Ermittler bestätigen, dass die Untersuchungen voreingenommen und politisch motiviert sind", erklärte Außenministeriumssprecherin Maria Sacharowa. Sie beklagte, dass Russland anders als die Ukraine nicht in die Ermittlungen einbezogen worden sei.

Auch die Rebellen bestritten erneut jegliche Verantwortung. "Unsere Kräfte konnten nicht mit einem Buk-System auf das Flugzeug schießen, weil wir solche Waffen nicht besitzen", sagte Eduard Bassurin, ein militärischer Verantwortlicher der selbsternannten "Republik Donezk", der Nachrichtenagentur AFP.

Die Ermittlungen der "Joint Investigative Taskforce" sollen bis zum 1. Jänner 2018 fortgesetzt werden. Auf ihrer Website jitmh17.com veröffentlichten die Ermittler die Aufzeichnungen abgehörter Telefonate und riefen Zeugen auf, sich zu melden, wenn sie eine der Stimmen erkennen.

Ukraine bietet Strafnachlass

Vor allem Zeugen im engen Kontakt zu möglichen Verantwortlichen sollten sich melden, erklärte die niederländische Staatsanwaltschaft am Mittwoch. Den sogenannten Insiderzeugen bot die Ukraine einen Strafnachlass an oder sogar den Verzicht auf eine strafrechtliche Verfolgung.

Nach dem Abschuss von MH17 hatte der Westen die russische Führung zumindest für die Lieferung der Rakete verantwortlich gemacht und seine Sanktionen gegen Russland verschärft. In dem seit Frühjahr 2014 andauernden Konflikt in der Ostukraine wurden bereits mehr als 9.600 Menschen getötet. (APA, 28.9.2016)