Dynamo und differenzierter Detailarbeiter: Der Dirigent Antonio Pappano.

Wien – Dass junge Römer anders tanzen als die anderen, ist Allgemeinwissen, Falco sei Dank. Nach dem ersten von zwei Gastspielabenden des Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia muss festgestellt werden: Sie machen auch anders Musik. Leidenschaftlicher, körperlicher, wilder, farbiger, nuancierter. Wie gute Liebhaber. Nach zweieinhalb vollendeten, atemberaubenden Stunden stolperte man komplett überwältigt aus dem Musikverein, mit brennendem Herzen und einem Satz heißer Ohren. Und im Kopf dazwischen keimte nur eine Frage auf: Was war das denn?

In jedem Fall ein Klangkörper, der von seinem Chef in den letzten Jahren unter die zehn besten Orchester der Welt hochdirigiert wurde: Sir Antonio Pappano, der Brite mit italienischen Wurzeln, ist ein Dynamo und ein differenzierter Detailarbeiter, der Langzeitmusikchef der Londoner Covent Garden Oper hat dem Konzertorchester die Agilität und die Flexibilität eines Opernorchesters antrainiert und ihm die unbändige Vitalität eines Jugendorchesters injiziert.

Unvorstellbare Finesse

Mit diesen Qualitäten wurde Tschaikowskis fünfte Symphonie zu einem Gefühlsgroßgemälde mit leuchtenden Farben und packender Tiefenschärfe fernab jedes pauschalen Lärmens und Röhrens, wie es traditionelle russische Orchester manchmal bieten. Bei der Musizierweise der Römer musste man eher an Teodor Currentzis' famoses Ensemble MusicAeterna denken, speziell bei den zwei Rossini-Ouvertüren zu La Cenerentola zu Beginn des Konzerts und bei jener zugegebenen vom Barbier von Sevilla. Die Leichtfüßigkeit, die feingliedrige Elastizität und das Feuer der Interpretationen verblüfften.

So wie Gil Shahams entschlackte Interpretation von Tschaikowskis Violinkonzert. Das hochvirtuose Spiel des 45-Jährigen zeichnete eine Zurückhaltung und eine formvollendete Eleganz aus. Der stets lächelnde US-Amerikaner war nie auf vordergründige, effekthascherische Überwältigung aus, musizierte mit Pappano und dem Orchester mit kammermusikalischer Freiheit und unvorstellbarer Finesse. Schon nach dem ersten Satz des Konzerts wurde lange applaudiert (zu Recht!), noch viel länger am Ende des wundervollen Werks: Da tanzten die Herzen. (Stefan Ender, 30.9.2016)