Wien – "Nach einer Regie von Nicolas Joel" steht auf dem Programmzettel – und das heißt im Falle von Giuseppe Verdis Aida an der Wiener Staatsoper, dass rund 32 Jahre nach der Premiere gerade die 114. Vorstellung dieser Inszenierung stattfindet.

In der historisch nicht uninformierten Ausstattung von Carlo Tommasi werden zwar zahlreiche Ägypten-Klischees bedient und in der Art eines Kostümschinkens umgesetzt, der in dieser Form heute als Neuproduktion sogar in der reaktionärsten europäischen Großstadt undenkbar wäre. Schlichtweg eindimensional ist die Regie deshalb aber noch lange nicht, oder besser: inzwischen wieder nicht.

Denn einige Feinheiten, die in der Zwischenzeit durch einen Traditionsbetrieb, den Gustav Mahler wohl "Schlamperei" geschimpft hätte, verloren gegangen waren, wurden in der laufenden Ära der Repertoirepflege wieder in Stand gesetzt.

Es trifft sich mit Verdis Intentionen, dass der viel besungene Ruhm des Pharaos szenisch ein wenig platt und hohl daherkommt – wenn er etwa auf seiner riesigen Sänfte zeitweise mit dem Rücken zum Publikum sitzt, während sich großes Spektakel abspielt.

Leises Orchester und Raunen der Menge

Vielleicht wegen des populären Titels der Oper passte freilich das Verhalten großer Teile des touristisch geprägten Publikums eher zur Erwartung eines Spektakels, so dass vieles von der leisen Differenzierung, die das Orchester unter Marco Armiliato leistete, durch das Raunen der Menge empfindlich gestört wurde.

Wie gewohnt blühte der instrumentale Apparat herrlich auf, während der Maestro im Graben für viel elegante Straffheit sorgte, bei der Koordination mit Chor und Bühnenorchester freilich nicht immer alles gleich glatt funktionierte.

Ob auch die Sänger abgelenkt waren? Bei Kristin Lewis in der Titelpartie wirkte es zumindest anfangs so. Doch nach etwas flackerndem Beginn wurde ihre Aida schließlich zu einer strahlenden Erscheinung, der freilich Violeta Urmana als Amneris eine weit vielschichtigere Figur entgegensetzte. In einem insgesamt ausgeglichenen, doch nicht weiter spektakulären Ensemble neigte der umjubelte Radames des höhensicheren Marcello Giordani zu Unsauberkeiten und Schluchzern, was jedoch kaum jemanden weiter zu stören schien.

Applaus für den Herrn Direktor

Dafür störte etwas anderes dann doch zu sehr, so dass Direktor Dominique Meyer nach der Pause auf die Bühne kam, um freundlich flehend an das Fotografierverbot zu erinnern (leider verbot er das Schwätzen und Email-Checken während der Vorstellung sowie das Hineinklatschen an Stellen, wo Verdi weiterkomponiert hat, nicht). Dafür bekam er: Applaus: Ein Herr, der besonders intensiv sein mobiles Endgerät befingert hatte, klatschte besonders laut. (daen, 30.09.2016)