Unesco-Welterbe: Schönbrunns Botanischer Garten soll künftig Tiergehege beherbergen.

Foto: Matthias Cremer

Bad Gastein 1930 ...

Bad Gastein Centre / Pressemappe / Wikipedia

... und heute: ein Großteil der Prachtbauten der Belle-Epoque stehen leer (siehe die rot eingefärbten Gebäude) und verfallen. Denkmalschützer sind machtlos.

Bad Gastein Centre / Pressemappe / Wikipedia

Gehe es um die Erhaltung und die Pflege des kulturellen Erbes, komme dem Bundesdenkmalamt (BDA) eine zentrale Rolle zu, werden die jeweils amtierenden Kulturminister nicht müde zu betonen. Etwa anlässlich des seit 1998 einmal jährlich zelebrierten Tags des Denkmals, der, als Beitrag zu den European Heritage Days, die Öffentlichkeit für die Bedeutung sensibilisieren und Interesse für die Belange des Denkmalschutzes und -pflege generieren soll.

Am Sonntag vergangener Woche nutzten 64.400 Interessierte das 260 Programmpunkte umfassende Angebot, für das Schlösser, Burgen, Klöster oder historische Bürgerhäuser ihre Tore öffneten. Der Botanische Garten in Schönbrunn, der trotz Unesco-Welterbestatus zur Erweiterung von Gehegen in den Tiergarten eingegliedert werden soll, stand allerdings ebenso wenig auf dem Programm wie eine Tour durch den verödeten Altstadtkern von Bad Gastein.

Der Alltag ist etwas anderes

Imageevents sind das eine, der Alltag eben etwas völlig anders. Offiziell mag das BDA im gesetzlichen Auftrag heimisches Kulturerbe behüten und für die Erhaltung von Denkmälern verantwortlich sein, tatsächlich wird es als Fachinstanz bei Entscheidungen auf politischer Ebene spät oder auch gar nicht eingebunden.

Jüngstes Beispiel: Der seit kurzem vorliegende und demnächst zur Verabschiedung gelangende Gesetzesentwurf zur Enteignung des Hitler-Geburtshauses in Braunau.

Dieser deckt die Aushebelung des Denkmalschutzes ebenso wie den Abriss des auch unter Ensembleschutz stehenden Gebäudes. Die Juristen und die zuständige Abteilung des Bundesdenkmalamts erfuhren davon aus den Medien, denn ihre Fachmeinung war offenbar nicht gefragt. Aus dem Bundeskanzleramt verlautet dazu lediglich, dass Juristen damit befasst gewesen seien. Deren Ziel: der Kommission, die den Innenminister punkto Nachnutzung berät, größtmöglichen Spielraum für Konzepte zu geben und etwaige Hürden aus dem Weg zu räumen.

Zerstörte Linzer Brücke

Denn die Zerstörung unbeweglicher Denkmäler mittels Abrissbirne bedarf selbstverständlich einer Bewilligung des BDA. In solchen Fällen ist dann der vom Ministerium bestellte Denkmalbeirat "zu hören". Das aus 70 externen Fachleuten bestehende Gremium erarbeitet dann ein Gutachten. Daran kann, aber muss sich die amtierende BDA-Präsidentin nicht halten.

Beispielhaft dafür steht die Linzer Eisenbahnbrücke, für deren Erhalt sich der Beirat unmissverständlich ausgesprochen hatte. Die Bewilligung zur Zerstörung dieses Ingenieur- und Architekturdenkmals wurde dennoch erteilt, auch weil die mit etwa 30 Millionen Euro bezifferten Sanierungskosten als "außergewöhnlich hoch" eingestuft wurden.

Geschichte, aber auch Gegenwart, wie ein Blick nach St. Pölten zeigt. 15 Jahre stand das Landespflegeheim leer, und nun wird die Wohngenossenschaft Alpenland dort demnächst rund 300 Wohnungen errichten. Bis vor kurzem hieß es offiziell, dass die auf dem Areal stehende denkmalgeschützte Jugendstilkapelle integriert werden sollte. "Unsere Pläne für sie liegen beim Bundesdenkmalamt", informierte der Alpenland-Obmann Mitte September in den Niederösterreichischen Nachrichten. Dass damit tatsächlich ein Antrag auf Aufhebung des Denkmalschutzes gemeint war, der einen Abriss ermöglicht, wurde erst diese Woche bekannt. Aufgrund "massiver Beschädigungen", die aus Vandalismus resultierten, wurde dem Antrag jetzt stattgegeben.

Zahnloses Gesetz

Trotz einer Novellierung im Jahr 2000 erweist sich das Denkmalschutzgesetz in bestimmten Teilsegmenten seit Jahren als zahnlos. Bereits 1994 hatte der Rechnungshof den Verfall geschützter Denkmäler kritisiert, da es keine rechtliche Handhabe gegen Besitzer gebe, die aus Geldmangel oder Desinteresse geschützte Bauwerke vernachlässigen. Denn eine "Erhaltungs- bzw. Instandsetzungsverpflichtung" ist "in diesem Bundesgesetz nicht vorgesehen". Dass manche Regelungen, etwa jene zum Verbot der Zerstörung und der Veränderung, gar als Anleitung zur Vernichtung interpretiert werden können, sei erwähnt.

Ein Missstand, den man längst hätte beseitigen können. 1985 wurde die Konvention von Granada verabschiedet, die europäische Staaten verpflichtet, die Pflege und den Erhalt von Denkmälern durchzusetzen. Mehr als 40 Staaten haben diese Konvention seither ratifiziert. Nicht jedoch Österreich. Warum? Diese Frage solle man nicht dem BDA, sondern dem Bundeskanzleramt stellen, empfiehlt ein Experte, der ungenannt bleiben möchte.

Gasteiner Tristesse

Laut Initiative Denkmalschutz werte die österreichische Politik das Eigentumsrecht eines Immobilienbesitzers höher als den Schutz von Kulturgut. Besitzer eines Denkmals will man nicht zu Erhaltungsmaßnahmen verdonnern. Dass derlei in Kombination mit einer steuerlichen Absetzbarkeit erhaltender Investitionen zumutbar wäre, wie Experten meinen, verhallt seit Jahren ungehört. Derweilen kochen Investoren teils undurchschaubare Süppchen.

Welche Konsequenzen das haben kann, führt das einst als Monaco der Alpen geläufige Bad Gastein auf triste Weise vor Augen. Das in Gründerzeit-Grandezza an die Berghänge gebaute historische Ortszentrum verödet. Die Gemeinde ist quasi machtlos. Vor mehr als zehn Jahren erwarb der mittlerweile verstorbene Wiener Immobilientycoon Franz Duval vier der ehemals mondänen Belle-Époque-Bauten.

Darunter das 1791/94 für den Salzburger Fürsterzbischof Colloredo als Kurhaus errichtet und später zu einem Hotel umfunktionierten Badeschloss ebenso wie das Hotel Straubinger und die k. k. Poststation, später auch das Kongresszentrum. Duval ließ sich als Retter von Bad Gastein feiern, der Umsetzung der in Aussicht gestellten Renovierungen und Revitalisierungspläne harrt man noch heute. Offenbar fanden sich keine weiteren Investoren.

Von den leer stehenden Prachtbauten bröckelt seit Jahren der Verputz, die Fenster sind vernagelt oder zertrümmert, im Inneren blüht der Schimmel. Im März 2013 brach im Dachstuhl des Badeschlosses ein Brand aus. Laut Medienberichten hätten betrunkene Saisonarbeiter nächtens achtlos eine Fackel weggeworfen.

Gemeinde kämpft vergebens

Das Dach wurde auf behördliche Anordnung gesichert, die Reparaturen der durch Löscharbeiten verursachten Schäden erfolgten nur teils und überaus zögerlich. Nach Franz Duvals Tod übernahm sein Sohn Philippe die Geschäfte. Geändert hat das nichts, und der morbide Charme des Zentrums ist der Gemeinde kein Trost. Im BDA wächst der Aktenstapel Verfahren um Verfahren, und ein Ende scheint nicht in Sicht. Laut den Experten agiere die Mehrheit der Denkmalseigentümer ja partnerschaftlich. Und dann gebe es noch die anderen, die schwarzen Schafe eben.

Selbst Sicherungsmaßnahmen ließen sich in der Causa Gastein teils nicht durchsetzen, da der Landeshauptmann entschied, dass die Finanzierung von Sanierungsmaßnahmen unzumutbar sei. Dokumentiert ist das Gasteiner Theater und das Ausmaß der Machtlosigkeit in einem "Der Besuch der alten Dame" titulierten Beitrag, der 2010 in der Zeitschrift Denkmal heute publiziert wurde.

"Kästen verfallen"

Demnach "verfallen die Kästen halt weiter" und arbeite die Zeit "für eine radikale Lösung". Denn "je schlechter die Bausubstanz", desto größer fielen irgendwann die behördlichen Konzessionen aus. Ein Prestigeverlust "für das ehemalige stolze Flaggschiff des Salzburger Fremdenverkehrs", meint der Architekt. "Eine Kulturschande", entgegnet die alte Dame, und zwar "für ganz Österreich!" Der Autor des Dramas war übrigens Andreas Lehne, bis zu seiner Pensionierung Ende Juli Leiter der Abteilung Inventarisation und Denkmalforschung im Bundesdenkmalamt.

Das mangelnde öffentliche Bewusstsein für den Erhalt österreichischen Kulturerbes dürfte das kleinere Übel sein. Die größeren sind der Mangel an öffentlichen Geldern und eine lückenhafte Gesetzgebung.

Und es fehlt am politischen Willen, die Bewahrung von Denkmälern als kulturhistorische Investition zu verstehen, die im öffentlichen Interesse über kurzfristige Profite von Immobilienentwicklern stehen sollte. Zumindest in der Theorie, selbst wenn die Praxis bislang anderes lehrt. (Olga Kronsteiner, 2.10.2016)