Und ewig droht der Kitsch: Die Choreografie "State" von Ingri Fiksdal und Jonas Corell Petersen kommentiert den menschlichen Hang zu Riten und Zeremonien nicht recht überzeugend.

Foto: Wolfgang Silveri

Graz – Als die Norwegerin Ingri Fiksdal (34) vor vier Jahren im Rahmen des vom Brut-Theater kuratierten Festivals Up to Nature im Wald bei der Jubiläumswarte ihr Österreich-Debüt hatte, war das ein echtes Erlebnis. State, die jüngste Arbeit der heute vielbeachteten Choreografin, ist ein ebenso veritabler künstlerischer Flop. Die Uraufführung fand am Wochenende beim Steirischen Herbst im Dom am Berg statt.

Eine Überraschung, obwohl bereits ihre mit der Musikerin Ingvild Langgård und dem Bühnendesigner Signe Becker erarbeitete Waldperformance Night Tripper bei Up to Nature zeigte, dass sich Fiksdal mit einer stark kitschgefährdeten Materie befasst: dem Ritual und seinen archaischen Hintergründen. Rituale folgen immer ganz bestimmten Zwecken. Es ist riskant, sie von diesen zu trennen.

Große Versuchungen

Für den Tanz ist das Ritual eine große Versuchung, weil seine Ursprünge in Riten oder Zeremonien liegen, die für die Bildung sozialer Bindungen wichtig waren.

Bei Night Tripper inmitten von Bäumen bei Anbruch des Abends gelang es, mit einer wunderbaren Installation, einem bezaubernden Chor, feiner Musik und einem faszinierenden Frauentanzduett eine magische Stimmung zu erzeugen und trotzdem die richtige künstlerische Distanz zu wahren. Bei State, für das Fiksdal mit dem Dramaturgen Jonas Corell Petersen kooperiert, ist diese Balance allerdings verlorengegangen.

Mit dem Ziel, die Einflüsse von "Ritualen auf den Staat und umgekehrt" spürbar zu machen, lassen die beiden zwei Tänzer und drei Tänzerinnen auf der Bühne untergehen. Das Thema, so schön es auch in einem Begleitbüchlein dargestellt ist, ließ sich aus dem zweistündigen Stück in keinem Moment herauslesen.

Reichlich Nebel

Stattdessen hüllten sich die fünf Figuren in ihrer vom Publikum eingekreisten Arena in fantasievolle Kostümierungen (Henrik Vibskov) und wechselten, mit reichlich Theaternebel eingeraucht, von einem Pseudoritual ins nächste.

Die Hauptursache für das Misslingen des Stücks liegt darin, dass es nicht gelungen ist, plausible visuelle Zeichen und Symbole einzusetzen. Zu diesem semiotischen Desaster, das sich auch Vibskovs Kostümen verdankt, kommt eine banale Choreografie, die sich in Hüpfen, Zusammenballen und der Persiflage von Sufitanz erschöpft.

Diese Auflösung konnte auch die Musik von Lasse Marhaug nicht mehr zusammentackern, trotz ohrenbetäubenden Knatterns und sphärischen Klingens der beeindruckenden Fertigkeiten von Heida J. Mobeck und Anja Lauvdal. (Helmut Ploebst, 3.10.2016)