Paz Lenchantin, David Lovering, Black Francis und Joey Santiago sind 2016 die Pixies. Ihr neues Album "Head Carrier" lässt einen kalt.

Foto: Pias / Travis Shinn

Wien – Die Skepsis kam vor dem Knall. Als die Pixies 2014 nach über zwei Jahrzehnten Pause ein neues Album veröffentlichten, stand die Gefahr im Raum, es könnte den Mythos beschädigen. Doch das erwies sich schnell als überzogene Furcht, Indie Cindy schloss trotz seines doofen Titels und zumindest zweier Songs zu viel an das einflussreiche Frühwerk der US-Band an. Zwei Jahresringe und Bassisten später ist nun das Album Head Carrier erschienen.

Galt bisher der Platz der Bassistin – ursprünglich von Kim Deal gehalten – drogenbedingt als Schwachstelle der Band, begab sich am Vorabend der Europatour nun Gitarrist Joey Santiago in die Ausnüchterungszelle seines Vertrauens. Alkohol und Drogen, der Fitnessteller des Rock-'n'-Roll-Zirkus, forderten diesen Gang. Am 15. November gastiert die Band im Wiener Gasometer, bis dahin sollte er wieder Herr über das Griffbrett sein.

Ende nach fünf Alben

Und selbst wenn nicht: Das Programm spielt er wahrscheinlich auf Autopilot. Die alten Songs hat Santiago längst verinnerlicht, die neuen weichen nur unwesentlich davon ab. Das von der aktuellen Bassistin Paz Lenchantin gesungene All I Think About Now könnte er gar mit Where Is My Mind? verwechseln. Es soll Kim Deal zu Ehren verfasst worden sein, die sich 2013 endgültig von der Band verabschiedet hat, Lenchantin ist die dritte Nachfolge seit damals.

Die Pixies komprimierten bei ihrem Auftauchen 1988 Errungenschaften aus dem US-amerikanischen Postpunk mit einer Melodieseligkeit, die in dieser Mischung bis dahin nicht gehörte Ergebnisse zeitigte. Die erratischen Texte des Black Francis wurden in hübsche Sixties-Melodien eingebettet, filetiert von Santiagos gleißendem Gitarrenspiel, das manchen Songs schon nach zwei Minuten den Garaus machte, ohne dass man das Gefühl hatte, etwas zu versäumen. Fertig bedeutet fertig. Was für die Songs galt, galt auch für die Band und ihre Chemie: Nach fünf Alben in fünf Jahren war Schluss, die vier zerstritten und Legende. Alle Mitglieder gingen mehr oder weniger erfolgreich neue Wege mit Bands wie den Breeders, Cracker oder unter eigenem Namen. In den Nullerjahren reformierte sich das Quartett aus Boston erstmals, um auf großen Festivals großes Geld zu machen. Nun gibt es die Band also wieder.

Head Carrier gibt sich mit 33 Minuten Spielzeit ökonomisch knapp wie zu den besten Zeiten, doch jetzt, da seit dem Vorgänger klar ist, dass sie es noch können, wirkt das neue Album brustschwach.

Zuschreibung Hausmarke

Zwar brüllt Black an den richtigen Stellen eines Songs wie Baal's Back los, die Bassläufe und der Sound des Schlagzeugs stammen unverwechselbar aus der Klasse des Professors Doolittle, dennoch klingt das Album über weite Strecken nach akustischem Malen nach Zahlen. Pixies-Schablonen werden brav ausgefüllt, mehr nicht. Kein Song, der überrascht, keine Melodie, die nicht aufgewärmt klingt.

Natürlich ist die ästhetische Radikalität nach bald 30 Jahren tausendfach kopiert worden, also bekannt und museumsreif im besten Sinn. Doch dessen eingedenk wären die Pixies umso mehr in der Pflicht, etwas zu bieten, das über die Hausmarke hinausgeht. Dass diese bei den Pixies immer noch über dem Durchschnitt liegt, keine Frage, im Vergleich zum Vorgänger klingt Head Carrier aber wie eine lasche Selbstkopie. Ein Album, das man nach einmaligem Hören bereits auswendig kennt. Was es hinterlässt, ist der Klang der Enttäuschung. (Karl Fluch, 6.10.2016)