Bulgariens Regierungschef Boiko Borissow schickt die ihm genehme Juristin Zezka Zatschewa ins Rennen um das Präsidentenamt.

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Zatschewa ist derzeit Parlamentspräsidentin.

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Sofia/Ankara – Der Ruf des genderbewussten modernen Mannes eilt ihm nicht voraus, doch jetzt wirft sich Boiko Borissow ins Zeug. Nach der Nominierung der bulgarischen Unesco-Direktorin Irina Bokewa für das Amt der nächsten UN-Generalsekretärin und ihrer folgenden Ersetzung durch die – am Ende ebenso wenig erfolgreiche – EU-Kommissarin Kristalina Georgiewa präsentierte Bulgariens Regierungschef nun eine weitere Politikerin als Kandidatin – dieses Mal für das Amt des Staatspräsidenten: Zezka Zatschewa, die 58-jährige derzeitige Parlamentspräsidentin, soll an die Staatsspitze. Es sei endlich Zeit für eine "Mutter der Nation", erklärte Borissow.

Paternalistischer Stil

Der ehemalige Ringer und Sicherheitsmann Borissow ist bekannt für seinen brummelnden, paternalistischen Stil. In einem Monat, am 6. November, wird gewählt. Damit die Bulgaren gleich wissen, woran sie sind, hat Borissow sie gewarnt: Gewinnt Zatschewa nicht, dann tritt er zurück und provoziert auch gleich Parlamentsneuwahlen. Der konservative Premier droht gern mit Rücktritt. Im Protestwinter 2013 hat er, enttäuscht über den Liebesentzug des Volks, das der sozialen Misere wegen auf die Straße gegangen war, diese Drohung auch wahrgemacht. Fast zwei Jahre musste Borissow dann auf sein Comeback warten.

Exekutorin von Borrissows Politik

Wie das Rennen dieses Mal ausgeht, ist nicht so klar. Borissow und die Führung seiner Partei Gerb (Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens) zögerten lange mit der Benennung eines Kandidaten für das Präsidentenamt. Innenministerin Rumjana Batscherowa und Sofias Bürgermeisterin Jordanka Fandakowa galten als mögliche Anwärterinnen; kurz vor Ende der Nominierungsfrist am Dienstag fiel die Wahl auf Zatschewa, eine Juristin, die vor der Wende 1989 Mitglied der kommunistischen Partei war und als effiziente Exekutorin von Borissows Politik bekannt ist.

Zatschewa hat zwei Dutzend Herausforderer, die ihr einen Sieg noch in der ersten Runde praktisch unmöglich machen. Unter den Gegnern ist erstmals ein gemeinsamer Kandidat der rechtsgerichteten Nationalisten von Ataka und Patriotischer Front – Letztere stützt die Regierung Borissow und hat Kabinettsposten – sowie eine linke, nicht unpopuläre Dissidentin der sozialistischen Partei, Tatjana Dontschewa.

Sozialist und General ist Kandidat der Sozialisten

Die Sozialisten selbst bieten als größte Oppositionspartei einen General auf, den bisherigen Chef der Luftwaffe, Rumen Radew. Das gilt als kluger Schachzug, denn die Armee ist eine der wenigen Institutionen, denen die Bulgaren vertrauen. Parlamentarier und Präsident dagegen verachtet die große Mehrheit. Sie gelten dem Volk als Geschäftemacher oder nur von Parteiinteressen getrieben. Der Vorwurf trifft auch Amtsinhaber Rossen Plewneliew, den Bauunternehmer und einst populären Minister einer früheren Borissow-Regierung, der den EU-finanzierten Autobahnbau in Bulgarien vorangebracht hatte. Im Westen wegen seiner proeuropäischen, russlandkritischen Haltung anerkannt, konnte sich Plewneliew im eigenen Land nicht als unabhängige Figur durchsetzen; er verzichtete auf eine neuerliche Kandidatur.

Keine der beiden größeren Parteien – Borissows Gerb ebenso wenig wie die Sozialisten der BSP – sei in der Lage, ihren Kandidaten allein durchzusetzen, erklärt die Wahlforscherin Marcella Abraschewa von Gallup International in Sofia. "Das eigentliche Problem ist, Wähler außerhalb der eigenen Parteilager zu mobilisieren", sagt Abraschewa. Sie weist auf das diffuse Bild hin, das Borissow im stark zersplitterten Parlament mit einer "Regierung der großen Minderheit" abgibt, gestützt auf Rechtsnationalisten und ein vielstimmiges kleines Reformerbündnis, bisweilen auch auf einige Linke. Dass die Mehrheit der Wähler bei der Präsidentenwahl Zatschewa, einer ausgewiesenen Parteipolitikerin von Gerb, die Stimme gibt, ist deshalb nicht ausgemacht.

Nachgesagte Russlandfreundlichkeit

Der "General" wiederum kämpft mit seiner neuen Rolle. Radew hat keine politische Erfahrung. Die Russland-Freundlichkeit, die dem 53-Jährigen nachgesagt wird, mag seiner Gegnerin Zatschewa zusätzliche Stimmen zuspielen. Vorsichtshalber hat aber auch Zatschewa einen Militär an die Seite gestellt bekommen: Der Gerb-Abgeordnete und frühere Admiral Plamen Manuschew ist für das Amt des Vizepräsidenten vorgesehen. (Markus Bernath, 6.10.2016)