Pma focus zum Thema "Projekt-Management 4.0": Keynote-Speakerin Sarah Spiekermann (li.), Professorin an der Wirtschaftsuniversität Wien, und Pma-Vorstandsvorsitzende Brigitte Schaden.

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Bei der Einführung neuer Technik gilt: Die Bedürfnisse des Menschen dürfen nicht aus dem Blick geraten.

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Offen sein, Trends verfolgen – aber auch nicht jedem Hype nachlaufen und vor allem das Menschliche nicht aus dem Blick verlieren: Beim 13. pma focus ging es um Herausforderungen, die Digitalisierung und Automatisierung für die Tätigkeit von Projektmanagern bringen. Über 500 Besucher und Besucherinnen waren ins Austria Center Vienna gekommen – ein Rekord. Organisiert wurde der Jahreskongress auch diesmal von der Vereinigung Projekt-Management Austria (pma).

Keynotespeakerin Sarah Spiekermann, Leiterin des Instituts für Betriebswirtschaft und Wirtschaftsinformatik der Wirtschaftsuni Wien, widmete sich dem Thema "Ethische Technik". Dazu veröffentlichte Spiekermann kürzlich ein Buch. Viele Innovationen, sagt die Ökonomin, passierten heutzutage oft "rein um der Innovation willen": Immer neue Produkte kommen in immer kürzerer Zeit auf den Markt. Internet, E-Mail, Smartphone, Facebook, Drohnen, Roboter. "Man muss sich daher auch einmal zurücklehnen und sich fragen: Warum? Was soll das eigentlich?", sagt Spiekermann – und beantwortet die Frage gleich selbst: "Wir sind in der Vorstellung erzogen worden, dass Neues per se gut ist."

Was ist wichtig?

Mit schuld daran sei die "Marketingmaschinerie" rund um neue IT-Produkte. "Sie suggeriert uns, dass Buzzwörter wie Big Data, Industrie 4.0 oder Cloud eine Rolle spielen", sagt Spiekermann. Das bedeutet für Projektmanager: "Sie müssen in die Vogelperspektive wechseln und verstehen, dass das Verführung ist. Nur ein kleiner Anteil ist wirklich wichtig für den Kunden. Den müssen Sie erkennen." Dafür gelte es sich auf den Menschen, seine Potenziale zurückzubesinnen. Die Wissenschafterin nennt als Analogie den Gärtner im englischen Garten: "Er schaut, was da ist, nutzt die vorhandenen Werte der Natur. Auch Projektmanager sollen Firmen dabei helfen, dass ihre Kunden gedeihen können."

Ethische Maschinen seien am Menschen orientiert, sagt Spiekermann. Sie nennt zwei Beispiele: Bei Virtual-Reality-Brillen verbringen die Nutzer Zeit isoliert und vergessen auf ihren Körper. Beim Augmented-Reality-Spiel Pokémon Go hingegen geht man raus, ist aktiv, findet im Idealfall Freunde. Es ist ein virtuelles Spiel, in dem das Soziale nicht zu kurz kommt. Entsprechend sollten Diagnosegeräte auch nicht Ärzte ersetzen, sondern ihnen allenfalls helfen, bessere Diagnosen zu erstellen.

Innovationen müssten also bedürfnisorientiert, wertebasiert eingeführt werden. Aber wie geht das? Spiekermann: "zunächst indem man sich mit ihnen beschäftigt und erfährt, was die Firmen und Kunden benötigen". Dafür gelte es genau zuzuhören.

Einen ersten Anhaltspunkt könne auch die Bedürfnispyramide des US-Psychologen Maslow bieten: Sie begreift physiologische Nöte und Sicherheit als die grundlegenden Bedürfnisse, Selbstverwirklichung oder den Wunsch nach Erfolg und Prestige als solche, denen man sich erst dann widmet, wenn alle basalen erfüllt sind.

Auf Bedürfnisse schauen

Der nächste Schritt: sich Gedanken darüber zu machen, was die Technik konkret für die Bedürfnisbefriedigung leisten kann. "Wenn beispielsweise Kunden in einem Geschäft nicht das finden, was sie brauchen, wird ihr grundlegendes Bedürfnis sein: Hilfe", sagt Spiekermann. Ein Trackingsystem könne dann etwa dabei helfen, Kunden und Shopmitarbeiter zusammenzuführen.

Nicht außer Acht lassen dürfe man das, was Spiekermann "threats" (Bedrohungen) der Werte nennt. Beispiele sind Privatsphäre oder Datenschutz. Entscheidend seien die Fragen, wie stark etwa ein Trackingsystem die Kunden darin bedroht und ob ihnen ein technisches Hilfssystem so sehr hilft, dass sie ihre Daten bereitwillig preisgeben.

Welche Kompetenzen braucht vor diesem Hintergrund ein Projektmanager, eine Projektmangerin? "Angstfrei den Kunden zu helfen, nicht jedem Trend nachzulaufen, sondern mit innovativen Technologien systematisch zu starten." So kann der englische Garten gedeihen. (Lisa Breit, 10.10.2016)