Anja Harteros überzeugte als Tosca an der Wiener Staatsoper, während Jorge de León ein untadeliger, aber auch ein wenig ungerührter Cavaradossi blieb.

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Wien – Es gibt Opern, da signalisieren bereits die ersten Takte, ob der Abend vor Spannung bersten oder weniger in Gang kommen wird: Puccinis Tosca mit den gewaltigen ersten drei Akkorden des zerklüfteten Scarpia-Motivs, gefolgt von Angelottis hektischem, ins Bodenlose stürzenden Flucht-Motiv, gehört zu diesen Werken, die vom ersten Augenblick an dramaturgische und atmosphärische Dichte miteinander verbinden.

Der Dirigent muss diese Gelegenheit beim Schopf packen. Mikko Franck tat an der Staatsoper genau dies und legte damit den Grundstein für einen packenden Abend – Wallmann-Inszenierung aus dem Jahr 1958 hin, 588. Aufführung derselben her. Ungeheuer straff, schlackenlos legte der Finne die Partitur in weiten Strecken an, also nicht nur bei den eindeutig martialischen, heroischen und rhytmusbetonten Passagen.

Paradoxerweise führte dieser vordergründig kühle, zuweilen gar strenge Zugang zum einen zu einem maximierten Leuchten bei den belebteren Passagen und zum anderen zu ungeheuer viel Sentiment, dort wo Puccini so gekonnt auf die Tränendrüsen des Publikums drückt. Auch wenn das Staatsopernorchester dem Dirigenten bei Letzterem etwas mehr folgte – und nach dem Motto "Darf's a bissl mehr sein?" zuweilen noch Emotion und Pathos drauflegte – als bei der straffen Pointiertheit, die Franck einforderte, drückte der Maestro dem Abend doch seinen Stempel auf.

Auf der Bühne vollzogen indessen Ensemblemitglieder und Gäste ihre Pflichten zwischen Vorschrift und Kür: Wolfgang Bankl (Mesmer) als Musterbeispiel der Verlässlichkeit mit persönlicher Note, Marco Vratogna als etwas flacher, mit seiner Grimmigkeit jedoch Furcht einflößender Bösewicht Scarpia, Jorge de León als untadeliger, aber etwas ungerührter Cavaradossi.

Alle Augen und Ohren waren jedoch vor allem auf das Rollendebüt von Anja Harteros in der Titelpartie gerichtet – und das fiel so untypisch wie überzeugend aus: Denn die Sopranistin wirft sich nicht von vornherein ins gefühlsgetränkte Zeug, wie sich das beim italienischen Repertoire als Usus herausgebildet hat, sondern agiert und singt mit Noblesse und Zurückhaltung. Nach außen kontrolliert, schwappen ihre Emotionen eher aus ihrer inneren Bewegtheit allmählich heraus, um die glasklaren Linien zu beleben. Und das passt zur Handlung – vor allem zum kühlen Kopf, mit dem Tosca Scarpia tötet – weit besser als die Kopflosigkeit, mit der diese Figur sonst oft gezeigt wird. Das Publikum jubelte taumelnd. (Daniel Ender, 10.10.2016)