Junge Erwachsene sind die Hauptbetroffenen von chronischer Depression, frühe traumatisierende Erfahrungen sind die Ursache.

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Jährlich nehmen rund 900.000 Österreicher das Gesundheitssystem auf Grund psychischer Erkrankungen in Anspruch, wobei die Zahl der Betroffenen nach wie vor ansteigt. Rund zehn Prozent der Frauen und sechs Prozent der Männer gaben beispielsweise bei der Österreichischen Gesundheitsbefragung 2014 an, in den letzten zwölf Monaten an einer Depression gelitten zu haben. Etwa ein Viertel aller Erkrankten leidet an einer chronischen Depression. Davon spricht man, wenn die Depression mindestens zwei Jahre andauert. "Die chronische Depression ist in 75 Prozent der Fälle durch einen sehr frühen Beginn bereits vor dem 21. Lebensjahr gekennzeichnet", erklärt Helmut Schöggl von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin am LKH-Universitätsklinikum Graz.

Die chronische Depression ist eine extrem beeinträchtigende Störung, die bisher als schwer therapierbar gilt. Eine schwierige Kindheit verbunden mit Vernachlässigung, Verlusterfahrungen oder dem Durchleben verschiedener Formen der Misshandlung, vor allem auch emotionaler Missbrauch, gelten als Auslöser dieser Form der Depression. "Chronisch Depressive sind meist nicht in der Lage mit ihrer Umwelt ungestört zu interagieren", sagt Schöggl. Durch negative Erfahrungen in der Kindheit versuchen chronisch depressive Menschen soziale Interaktionen zu vermeiden, um nicht wieder verletzt zu werden. "Dieses automatisierte Verhaltensmuster wird immer weitergetragen, so dass Patienten in ihren sozialen Interaktionen erheblich beeinträchtigt sind", beschreibt Schöggl den Krankheitsverlauf.

Beziehungsgestaltung als zentrales Element

Die Behandlung von chronisch depressiven Menschen stellt die Medizin vor eine große Herausforderung, da Patienten mitunter unzureichend auf eine antidepressive Medikation bzw. auf klassische antidepressive Psychotherapiekonzepte ansprechen. Erstmals in Österreich wird an der Grazer Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin nun ein neues Therapiekonzept schwerpunktmäßig eingesetzt. Das Cognitive Behaviroral Analysis System of Psychotherapie – kurz CBASP – ist ein relativ neues Behandlungsverfahren, welches von James P. McCullough an der Virginia Commonwealth University, USA, entwickelt wurde. Bis heute ist es weltweit der einzige Therapieansatz, der speziell auf chronisch depressive Patienten ausgerichtet ist.

Das CBASP Konzept lebt von der multidisziplinären Zusammenarbeit unter aktiver Einbeziehung von Pflegepersonen, Ergo- und Physiotherapeuten, Psychotherapeuten und Sozialarbeitern. "Wir führen das neue Therapiekonzept mittlerweile im ambulanten als auch stationären Setting durch", berichtet Schöggl.

Aufbau der Therapie

Das Therapiekonzept selbst ist dreistufig aufgebaut. In der Akutphase arbeiten die Therapeuten mit den Patienten an den Prägungen durch die wichtigsten Bezugspersonen, die das Denken, Empfinden und Handeln der Patienten bis heute stark beeinflussen.

In weiterer Folge wird die "Übertragungshypothese" formuliert, die die Angst der Patienten widerspiegelt, vom Therapeuten z.B. für wertlos erachtet oder gar "bestraft" zu werden, wenn emotionale Brennpunkte ("Hot Spots") zwischen den Patienten und dem Therapeuten entstehen.

In der Hauptphase des CBASP Konzeptes finden die Situationsanalysen statt. Darunter versteht man eine mehrstufige, interpersonelle Problemlösungsaufgabe. "Unsere Patienten lernen in schwierigen sozialen Situationen realistische Ziele zu formulieren und diese durch hilfreiche motivierende Gedanken und adäquates Verhalten auch zu erreichen", erklärt Schöggl. Die Beziehungsgestaltung ist ein Schlüsselelement des Therapiekonzeptes. Durch die umsichtige Selbstöffnung des Therapeuten gegenüber dem Patienten können heilsame Beziehungserfahrungen gelingen. Die Abschiedsphase bildet den Abschluss der Therapie, wenn Patienten von der Einzeltherapie in eine Gruppenphase überführt werden, um einerseits den Therapieerfolg zu stabilisieren und gleichzeitig eine Rückfallprophylaxe zu erreichen.

Im letzten Jahr wurden an der Grazer Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin rund 20 Patienten im stationären und ambulanten Setting behandelt. Empfohlen wird eine Therapiedauer von zumindest 25 Sitzungen. (red, 10.10.2016)