Nikola Bilyk (links), der bei den Fivers Margareten groß wurde, misst 1,98 Meter, wiegt 94 Kilogramm und spielt links oder Mitte Rückraum. Linksaußen Raul Santos, 1,80 Meter groß und 74 Kilogramm schwer, hat in Leoben begonnen.

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Kiel/Wien – Über die Kieler Sprotte muss man nicht alles wissen, Folgendes aber schon. Sie, die Sprotte, hat bereits 1809 im vierten Band der Lehrschrift Neuste Länder- und Völkerkunde des Geographischen Instituts in Weimar Erwähnung gefunden. Auf Seite 198 steht: "Kieler Bücklinge und Sprotten werden sehr geschätzt." Die Sprotte an sich ist ein heringsartiger Seefisch, kaum größer als zwanzig Zentimeter. Das Spezielle an der Kieler Sprotte, neben ihrer Herkunft (Kieler Bucht), ist die Art ihrer Zubereitung. Echte Kieler Sprotten, so steht es nämlich auch geschrieben, sind im traditionellen Altonaer Ofen über Buchen- und Erlenholz zu räuchern.

Kieler Sprotten nennen sich auch jene Menschen, die in der Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein verwurzelt sind, sich ihr besonders verbunden fühlen. Gütesiegel quasi, auch und insbesondere im Handball. Der THW Kiel hält bei zwanzig Meistertiteln, neun Pokalerfolgen, war dreimal Champions-League-Sieger und insgesamt siebenmal -Finalist. Die meisten Erfolge wurden in diesem Jahrtausend verbucht, die vergangene Saison war allerdings eine bittere, titellose. So gesehen, hätten Nikola Bilyk und Raul Santos einen schlechteren Zeitpunkt erwischen können, um in Kiel anzuheuern. Es kann nur bergauf gehen mit dem THW. Und es geht auch bergauf.

Die Österreicher Bilyk (19) und Santos (24) haben daran nicht wenig Anteil. Kiel liegt nach sieben Liga-Runden auf Rang zwei, punktegleich mit Leader SG Flensburg-Handewitt, und Bilyk mit 39 Toren auf Rang vier der Schützenliste. Der Wiener, der links oder mittig im Rückraum spielt, war von Kiels isländischem Trainer Alfred Gislason als "das größte Talent im Welthandball" bezeichnet worden. Er wurde den Vorschusslorbeeren schnell gerecht, trumpfte auch in der Champions League auf, hatte wie Santos (je vier Tore) großen Anteil am 28:27-Heimsieg über Paris Saint-Germain sowie zuletzt am 28:25 beim dänischen Meister Silkeborg. "Der Start war sehr gut, aber es gibt noch genug zu tun", sagt Bilyk, der gedacht hatte, es würde "länger dauern, bis wir zueinanderfinden".

"Begeisterung ist enorm"

Da schließt sich Santos an. Der Linksaußen, der bei Union Leoben zweimal HLA-Torschützenkönig gewesen war, spielte ab Februar 2013 beim VfL Gummersbach, ehe er im Sommer nach Kiel wechselte. "Wir haben den Start ganz gut hinbekommen", findet Santos, der zuletzt in Silkeborg eine Muskelzerrung erlitt und zumindest einmal – beim Gastspiel am Mittwoch beim Bergischen HC – aussetzen muss. Santos sagt, dass er "jedes Spiel genießt, vor allem die Heimspiele". Kein Wunder, die Besucherzahlen in der Kieler Sparkassen-Arena oder auch Ostseehalle, die zentrumsnah in Sichtweite des Rathauses liegt und mehr als 13.500 Besucher fasst, sind nicht selten fünfstellig. "Die Begeisterung für Handball", sagt Santos, "ist hier enorm."

Die Dreifachbelastung durch Liga, Cup und Champions League führt dazu, dass in manchen Wochen dreimal gespielt wird. Wenn Kiel mehrmals in Serie auswärts antritt, sind die Spieler bis zu zehn Tage lang unterwegs. Das trifft Santos, der im September Vater geworden ist, mehr als Bilyk. "Lange weg zu sein, macht mir natürlich zu schaffen", sagt Santos, "aber es war auch klar, dass der Wechsel das mit sich bringen würde." Er ortet "noch viele Reserven", bei sich und bei der Mannschaft. "Wir haben viele junge Spieler, natürlich machen wir manchmal Fehler, aber die Fehler werden weniger." Laut Santos hat der Verein kein genaues Saisonziel definiert. "Wir wollen gut spielen, und wir wollen immer besser werden."

THW steht übrigens für Turnverein Hassee-Winterbek. In Kiel wurde nämlich – ab 1904 – zunächst geturnt, Handball kam erst 1923 dazu. Das muss man nicht wissen. Aber man kann. (Fritz Neumann, 12.10.2016)