Die Plattform "Democracy Awakening" kämpft für die Gleichberechtigung beim Wahlrecht. Ihre Mitglieder protestierten im Frühjahr vor dem Kapitol in Washington.

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Die Demonstranten forderten die Wiederaufnahme des Voting Rights Act aus dem Jahr 1965.

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Im Februar verlieh der Kongress diese Medaille an Frederick D. Reese symbolisch für jene Bürgerrechtler, die im Jahr 1965 aus Protest gegen die Aberkennung ihres Wahlrechts von Selma nach Montgomery marschiert waren. Im Jahr 2014 wurde der friedliche Kampf in dem Film "Selma" cineastisch gewürdigt.

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Das Wahlsystem in den USA gibt im Grunde jedem volljährigen Bürger, abgesehen von Strafhäftlingen, das Recht zu wählen. Das funktioniert aber nur in der Theorie. Denn immerhin besitzen elf Prozent der Wahlberechtigten keinen staatlichen Ausweis, der vielerorts für die Wahlteilnahme Pflicht geworden ist. Bei der Präsidentenwahl zwischen Hillary Clinton und Donald Trump am 8. November dürften die neuen Bestimmungen Millionen US-Amerikaner an der Wahlteilnahme hindern.

Neues Gesetz macht es Minderheiten schwer

Mehr als ein Dutzend Bundesstaaten haben seit der vergangenen Präsidentschaftswahl 2012 ein Gesetz erlassen, wonach bei jeder Wählerregistrierung ein Lichtbildausweis vorzulegen ist. Der erste Bundesstaat, der das umstrittene Gesetz verabschiedete, war Indiana im Jahr 2005. Einer Analyse des US-Nachrichtenportals "Vox" zufolge dürften diese Regeln Millionen Menschen an der Wahlteilnahme hindern.

Eine genaue Zahl ist derzeit noch nicht bekannt. Betroffen sind aber vor allem ethnische Minderheiten, Bürger über 65 Jahren, Jugendliche zwischen 18 und 24 und Menschen aus den unteren Einkommensklassen. Diese Gruppen können sich einen staatlichen Ausweis oft nicht oder nur schwer leisten. Die Preise für diese Dokumente, die in den Bundesstaaten mit dem neuen Gesetz kostenfrei zur Verfügung gestellt werden sollten, variieren laut einer Studie der "Harvard Law School", die drei Staaten untersucht hat, zwischen 80 und 150 US-Dollar. In Österreich mag das undenkbar erscheinen, aber in den USA sind Personalausweise und vor allem Reisepässe keine Selbstverständlichkeit.

Kompliziertes Selbstregistrierungssystem

In den USA läuft die Wählerregistrierung nicht automatisch: Jeder Bürger muss selbst dafür sorgen, dass er sich zur Wahl registriert.

Das "Wähleridentifizierungsgesetz" gilt derzeit in 32 Bundesstaaten. Es gibt eine Unterscheidung zwischen Staaten, die die Wählerregistrierung strikt handhaben, und solchen mit liberaleren Regeln. In Ersteren wird dem Wähler ohne geeigneten Ausweis ein provisorischer Stimmzettel gewährt. Das bedeutet, dass die Wahlberechtigung dieser Person infrage gestellt wird. Erst später wird entschieden, ob die Stimme gültig ist. In den liberaleren Staaten wird die Stimme der Wähler im Normalfall auch angerechnet, wenn sie sich nicht mit einem Lichtbildausweis identifizieren können. Oft reicht eine Unterschrift oder die Angabe von Name und Adresse.

Zudem hat jeder US-Bundesstaat eine andere Registrierungsfrist – die Termine variieren für dieses Jahr zwischen dem 8. Oktober und dem Wahltag am 8. November. Auch die Anmeldeverfahren unterscheiden sich je nach Staat.

Nützlich für Republikaner, schädlich für Demokraten

Das Gesetz wird von den Republikanern unterstützt. Sie begrüßen die Ausweispflicht, sie soll ihrer Ansicht nach die Möglichkeit eines Wählerbetrugs reduzieren. Eine Untersuchung des US-Justizministeriums hat jedoch gezeigt, dass innerhalb von fünf Jahren während der Regierung von George W. Bush nur 86 Fälle von Wählerbetrug registriert wurden. Der Analyse von "Vox" zufolge ist es sogar wahrscheinlicher, vom Blitz erschlagen zu werden, als jemandem zu begegnen, der einen Wählerbetrug begangen hat. Eine andere mögliche Erklärung für die republikanische Befürwortung des Gesetzes liegt darin, dass viele der durch die Verordnung verhinderten Wähler für die demokratische Seite stimmen würden, zum Beispiel Afroamerikaner. "Das Gesetz wird Demokraten in den Hintern treten", sagte der Republikaner Don Yelton in "The Daily" Show mit Jon Stewart im Jahr 2013. Wegen der Aussage musste er von seinem Posten als Wahlkreisvorsitzende von Buncombe County in North Carolina zurücktreten.

Auch zwei Politikwissenschaftler der University of Massachusetts in Boston haben die These, das Gesetz sei für das republikanische Lager von Vorteil, bestätigt. Sie stellten fest, dass die Wahrscheinlichkeit für den Erlass des restriktiven Gesetzes in denjenigen Bundesstaaten erhöht war, in denen sich die Minderheitsgruppen an den letzten Wahlen verstärkt beteiligt hatten. Erfasst wurden die Daten aus der Zeitspanne 2006 bis 2011. Zu den Staaten, die das Gesetz 2012 oder 2013 verabschiedet haben, gehören unter anderen Arizona, Mississippi und South Carolina.

Historischer Voting Rights Act 2013 aufgehoben

Im Jahr 1965 wurde ein Wahlgesetz beschlossen, das die Diskriminierung von Minderheiten verhindern sollte. Der sogenannte Voting Rights Act trat in der Amtszeit von Präsident Lyndon B. Johnson in Kraft. Johnson setzte sich besonders für die Gleichberechtigung der Afroamerikaner ein.

Jedenfalls waren seit der Verabschiedung des Voting Rights Act alle Bundesstaaten verpflichtet, jedwede Wahlrechtsänderungen zuerst dem Obersten Gerichtshof vorzulegen. Das brachte eine deutliche Verbesserung des Wahlrechtssystems. 2013 wurde das Gesetz vom Höchstgericht aufgehoben – mit der Begründung, es sei nicht mehr zeitgemäß. (Anja Malenšek, 15.10.2016)