Wir schreiben das Jahr 2022. Ein Architekturprojekt in Wien hat den Pritzkerpreis bekommen, den "Oscar" der Architekturkunst. Fachleute, Studenten und Kunsttouristen lassen "Landmarks" wie das Frank-Gehry-Museum in Bilbao links liegen und pilgern nach Wien-Hernals, um das neue Bürogebäude der MA 48 zu bestaunen.

Ehrfürchtiges Raunen geht durch die internationalen Besucher, als sie des Gebäudes ansichtig werden: Vor ihnen erhebt sich ein riesiger Müllcontainer, komplett mit Scharnierhebel für das Dach, in Form eines Mistkübeldeckels. Es ist das, was alte Wiener als "Koloniakübel" kennen, die von den emsigen Mitarbeitern der MA 48 in ihre orangefarbenen Mistautos entleert werden.

Das kann nicht wahr sein? Doch, doch, es war zumindest ein ernsthafter Plan. Denn in der Ausschreibung für das Projekt steht: "Die Gebäudeform soll ein Symbol für die Wiener Abfallwirtschaft sein und in der Formensprache an einen Abfallkübel erinnern." (Zitat DI Thon, MA 48)

Josef Thon ist Leiter der MA 48 und Ehemann der zuständigen Stadträtin Ulli Sima. Die hat dann, wie der Falter aufdeckte, empört das ganze Projekt gekübelt, weil die Architektenjury die Koloniakübelidee ihres Partners als "unsäglichen Kitsch" abgelehnt hatte.

Schade. Das wäre ein Taj Mahal einer großen Herzensbeziehung im Wiener Rathaus geworden. (Hans Rauscher, 12.10.2016)