In Luz Olivares Capelles Film "Wald des Echos" geht es um Identität und ihre Aufhebung im kindlichen Spiel.

Foto: Olivares Capelle

Identität als bloße Konstruktion der Blicke ist, wenn man so will, der kleinste gemeinsame Nenner eines spannenden Filmabends, zu dem die Filmakademie Wien eingeladen hat. Seit 2014 fördert sie Projekte, die sich mit aktuellen Diskussionen und Tendenzen von Gender/Queer/Diversity beschäftigen. Das Besondere dabei: Nicht bereits fertige Filme werden ausgezeichnet, sondern die gesamte Produktion ab dem Treatment oder einer bloßen Idee begleitet. Diese Woche wurden die ersten fertiggestellten Filme im Wiener Stadtkino gezeigt.

Nicht nur Sexualität

"God of Ghosts" heißt der Film von Florian Pochlatko, der in drei eigenwilligen Episoden kulturelle Codes durchdekliniert. Einem Fiebertraum gleich thematisiert er zu Beginn den Wunsch nach einem Erlöser, der hier als falscher Priester auftritt. Die zweite Episode ähnelt einem Musikvideo, Codes des Gangsta Rap werden verwendet, die die ZuschauerIn nicht immer einordnen kann. Die dritte Episode wird noch abstrakter, fokussiert stärker auf die Körper und ihre Bewegungen, Überblendungen machen sie zu einem vielarmigen Wesen. Einem herkömmlichen Narrativ entzieht sich die Arbeit. Das ist es auch, was Pochlatko nach eigenen Angaben an dem Thema "queer" interessiert, das er nicht auf Fragen der Sexualität verkürzt wissen will. Etwas ist ver-rückt, abseits des Mainstreams.

Der Film von Jan Prazak-Zoufali heißt "Baumstämme im Schnee". Dieses Kafka-Zitat ist der Arbeit vorangestellt: "Denn wir sind wie Baumstämme im Schnee. Scheinbar liegen sie glatt auf, und mit einem kleinen Anstoß sollte man sie wegschieben können. Nein, das kann man nicht, denn sie sind fest mit dem Boden verbunden. Aber sieh, sogar das ist nur scheinbar." Um diesen Schein geht es auch in dem Film. Ein junger Mann verschwindet von einem Tag auf den anderen, und auf einmal wird alles, was bisher sicher schien, fragwürdig. Die Eltern machen sich Sorgen, schalten die Polizei ein, auch die Freundin weiß nichts. Seine Wohnung wird aufgebrochen, der Vater findet Kondome und Fotos eines halbnackten jungen Mannes.

Kein Entweder-oder

Aber auch hier geht es nur am Rande um Fragen der sexuellen Identität. Eine Person verschwindet, und auf einmal werden wir zurückgeworfen auf die Bilder, die wir uns von ihr gemacht haben. Aber treffen diese zu? Haben sie jemals zugetroffen? Der Film bewegt sich gekonnt von der Frage "Wo ist er?" zu den Fragen "Wer ist er?" und "Was bedeutet er uns?". Der Anstoß für das Verschwinden bleibt bis zuletzt unklar. Das, so Filmemacher Jan Prazak-Zoufali im Gespräch mit Susanne Hochreiter, sei ihm entscheidend wichtig gewesen. Hochreiter, Assistenzprofessorin für Germanistik an der Universität Wien und am Gender-Initiativ-Kolleg, verwies auf die binäre Logik heteronormativer Bilder, der sich dieser Film gekonnt entziehe. Kein Entweder-oder werde hier verhandelt, sondern ein Sowohl-als-auch.

Keine Angst: Sie spielen nur!

Auch in Luz Olivares Capelles Film "Wald des Echos" geht es um Identität und ihre Aufhebung im kindlichen Spiel. Drei kleine Mädchen im Wald, das hätte auch ein Horrorfilm werden können – und immer wieder spielt die Regisseurin, so scheint es, mit dem Genre. Drei junge Menschen laufen durch den Wald, und plötzlich sind zwei davon verschwunden. Die Wolken werden dichter, es knackt unheimlich im Geäst, an einem Weiher macht die verbliebene Person eine unheimliche Entdeckung. Aber die Erzählung kippt immer wieder: ins Alltägliche, Verspielte, Humorvolle, Fantastische. Was ist real, was irreal? Diese Frage lässt sich in diesem Film nicht beantworten. "Leben und Tod, Horror und Spiel" fließen ineinander, wie es Doris Ingrisch, Professorin am Institut für Kulturmanagement und Gender Studies, im Gespräch mit der Regisseurin ausdrückt.

Ihre Arbeit sei bei einer Recherche für eine Dokumentation entstanden, die sie mit Kindern machen wollte, erzählt Olivares Capelle. Aus den Gesprächen mit den Kindern habe sich dann der Plot beziehungsweise die Idee für diesen Film ergeben. Und einige Originalzitate: zum Beispiel, dass die Seele circa zehn Zentimeter lang ist – und pink. (Tanja Paar, 14.10.2016)