Wien/Burgenland – Da brauchen wir gar nichts schönreden. Der erste Schock fühlte sich an wie ein Schlag in die Magengrube. Als Bentley verkündete, einen SUV zu bauen, war das ein Geplärre wie beim ersten Diesel-Porsche, dem Ford-Jaguar-Kombi oder beim Launch des ersten Frontkratzer-BMW, dem 2er Active Tourer.
Den zweiten Schwinger in die Magengrube gab es nach den ersten Metern im Bentayga – so der Name des SUV-Bentley. Nach nur wenigen Sekunden im Bentayga ist nämlich klar: Das Konzept SUV passt so gut zu einem Bentley wie ein großer Rosenstrauß zu einem Hochzeitstag.
Schon kurz nach dem Einsteigen, beim Schließen der Tür, kommt man sich, ob so viel Luxus im Innenraum, vor wie ein Lord. Wie Sir Whoever, der sich auf den Weg zu Lady Marvellous macht, um sie zum Fünfuhrtee abzuholen. Dabei ist es ganz egal, ob die Dame in Downtown oder in der tiefsten Pampa lebt.
Highway und Offroad
Niemanden wundert, dass der Bentayga auf der Straße gut zu fahren ist – aber was der 300.000 Euro teure Luxus-SUV sich im Gelände zutraut, mag man gar nicht glauben, wenn man den fast 2,5 Tonnen schweren Briten sieht.
Mit einem Wählrad in der Mittelkonsole programmiert man den Wagen auf Schnee, Schlamm, Felsen oder Sand vor, und den Rest regelt die Elektronik.
Ihn wirklich im Schlamm zu baden und ihn vielleicht im Gelände zu zerkratzen, kommt wohl für niemanden infrage, aber es beruhigt vielleicht zu wissen, dass der Bentayga das locker könnte, wenn er müsste.
Was er sicher öfter einmal muss, das ist die 608 PS aus dem doppelt aufgeladenen sechs Liter großen W12 abzurufen. Dabei geht es nicht um unsinnige Ampelstarts, die man in dem Auto erstaunlich oft gewinnen würde.
Nur etwas mehr als vier Sekunden braucht der britische Riese, um die 100-km/h-Marke hinter sich zu lassen. Aber auf der Autobahn, da erliegt man schon manchmal dem Bann der Kraft und setzt nach der luxuriösen Gondlerei auch zwischendurch einmal zu einem kurzweiligen Überholmanöver an.
Handarbeitskunst
Jeder Versuch zu beschreiben, was in der Welt aus handbearbeitetem Holz und Leder losbricht, wenn man bei einem Hunderter das Gaspedal in die Bodenplatte tritt, würde nur lächerlich und pubertär wirken.
Lediglich so viel: Wir beneiden die Bentley-Tester, die 400 Runden am Nürburgring abspulen mussten, um jeden einzelnen Meter. Denn dieser Bentayga ist nicht nur der schnellste und stärkste SUV, den man um Geld kaufen kann, dank der Wankstabilisierung, die auf einem 48-Volt-System basiert, pickt er in den Kurven, dass man den Kamm'schen Kreis neu zeichnen muss.
Innenraum, Fahrverhalten und Design faszinieren so sehr, dass man ganz vergisst, sich um das Infotainment-Paket zu kümmern. Ja, die Musik kommt glasklar über die Boxen – aber das WLAN haben wir echt nicht gebraucht. (Guido Gluschitsch, 14.10.2016)