Sehen sich abseits des Populismus, aber der "linken Meinungsachse" ausgesetzt: Josef Pühringer und Manfred Haimbuchner.

Foto: Alexander Schwarzl

STANDARD: Man sagt, dass das erste Ehejahr das schwerste ist. Wie sieht es nach knapp 365 Tagen schwarz-blauer Beziehung aus?

Pühringer: Mit einer Ehe würde ich unser Verhältnis nicht vergleichen. Vielmehr ist es eine korrekte Arbeitsbeziehung.

STANDARD: Ich versuche es bei Ihnen, Herr Haimbuchner. Sie haben erst kürzlich geheiratet. Ist die politische oder die private Ehe mehr Herausforderung?

Haimbuchner: Es geht mir in beiden Situationen sehr gut. Ich versteh mich mit meiner lieben Frau Anette sehr gut; und ich versteh mich auch sehr gut mit dem Herrn Landeshauptmann. Privat brauche ich allerdings keinen Ehevertrag, politisch gibt es ein Arbeitsübereinkommen mit der ÖVP.

STANDARD: Zu einem gemeinsamen öffentlichen Auftritt anlässlich des ersten schwarz-blauen Geburtstages hat man sich bis dato aber noch nicht durchringen können, oder?

Pühringer: Es wird schon noch eine gemeinsame Pressekonferenz geben. Es ist ja noch kein Jahr – erst am 23. Oktober.

Haimbuchner: Stimmt, erst am 23. Oktober ist unser Hochzeitstag.

STANDARD: Überhaupt gab es aber im vergangenen Jahr auffallend wenig gemeinsame Auftritte von Ihnen beiden. Vielleicht doch ein Indiz für innerkoalitionäre Stimmungsschwankungen?

Haimbuchner: Überhaupt nicht. Auch wenn es aus journalistischer Sicht vielleicht unspannender ist: Es läuft sehr rund und angenehm unkompliziert.

Pühringer: Von der politischen Situation ist uns ja nichts geschenkt worden: Gleich zu Beginn unserer gemeinsamen Arbeit war das Flüchtlingsthema am Höhepunkt, gleichzeitig laufen die Finanzausgleichsverhandlungen, die Arbeitsmarktsituation ist schwierig. Und dazu kommen noch die alltäglichen Probleme, die wir zu bewältigen haben. Da muss es schon gemeinsam funktionieren.

STANDARD: De facto waren Sie aber bis vor einem Jahr noch ein strikter Gegner einer schwarz-blauen Koalition.

Pühringer: Der ersten Entscheidung zu Schwarz-Blau auf Bundesebene habe ich damals auch zugestimmt, der zweiten dann nicht mehr. Was aber vor allem mit der Person Jörg Haider zu tun hatte. Und leider hat mich die Geschichte bestätigt. In Oberösterreich haben rund 30 Prozent bei der letzten Landtagswahl die Freiheitlichen gewählt, das muss ich als Demokrat anerkennen. Man muss ja nicht dadurch automatisch in allen Punkten die gleiche Meinung haben.

Haimbuchner: Wenn wir immer in allen Bereichen die gleiche Meinung hätten, dann wäre ja einer von uns zwei völlig überflüssig.

STANDARD: Vor einem Jahr war die Stimmung aber noch weit weniger harmonisch. Herr Landeshauptmann, da haben Sie den Freiheitlichen noch die "Besudelung" des Landes und "Hetze" vorgeworfen. Und die FPÖ würde sich "selbst ausgrenzen". Heute ist die FPÖ dank ÖVP politisch integrierter denn je. Warum dieser schwarze Sinneswandel?

Pühringer: Punkt eins: Ein Wahltag schafft eben Realitäten. Punkt zwei: Ich bin jetzt doch schon einige Zeit in der Politik und noch nie wegen meiner politischen Aussagen vor einem Richter gestanden. Wegen Ehrenbeleidigung oder ähnlicher Delikte. Sie werden mir auch nicht nachweisen können, dass ich etwas Ehrenrühriges über einen politischen Mitbewerber gesagt habe. Dass die FPÖ schlecht über die bisherige Politik geredet hat, ist evident. Und das habe ich mit zum Teil scharfen Worten eben zurückgewiesen. Aber dazu stehe ich auch heute noch.

STANDARD: Und Sie, Herr Haimbuchner, sind offensichtlich gar nicht nachtragend, oder?

Haimbuchner: Überhaupt nicht.

Pühringer: Da hat er auch keinen Grund.

Haimbuchner: Ich zolle dem Landeshauptmann großen Respekt. Er ist da ein großer Demokrat. Ich weiß, dass es nicht leicht war, eine neue Zusammenarbeit entsprechend zu vertreten. Aber die Oberösterreicher haben die FPÖ ja nicht aus Jux und Tollerei gewählt, sondern weil die Unzufriedenheit sehr groß war.

STANDARD: Als jetzt zum Jubiläum die Rufe laut wurden, der politische Himmel über Oberösterreich sei auffallend blau, hat Landeshauptmann Pühringer rasch klargestellt, dass eigentlich die ÖVP den Ton angibt. Ist das so?

Pühringer: Das hab ich gesagt? "Den Ton angeben"? Sicher nicht.

STANDARD: Doch, anlässlich einer ÖVP-Bilanzpressekonferenz am 26. September.

Haimbuchner: Bitte, wir spielen schon in einem Orchester. Ich will doch keinen Paarlauf der Eitelkeiten. Und wir haben in diesem Jahr auch keinen wirklichen politischen Streit gehabt. Aber natürlich hat durch die FPÖ-Beteiligung eine bestimmte Wertehaltung mehr an Boden gewonnen. Etwa im Bereich der Integration. Da haben wir wegweisende Entscheidung getroffen.

STANDARD: Entscheidungen, die höchst umstritten sind. Etwa die Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte oder die Deutschpflicht in Schulen.

Pühringer: Sie, Herr Rohrhofer, und auch einige andere Journalisten sind so fixiert auf diese Fragen. Das aber war doch nicht alles in den letzten zwölf Monaten.

STANDARD: Zumindest waren es aber die großen Themen, die das Land in den letzten zwölf Monaten mitunter tief gespalten haben.

Pühringer: Es stellt sich eben die Frage der sozialen Leistbarkeit bei 100.000 Flüchtlingen anders als bei 20.000 Flüchtlingen. Daher war die Kürzung der Mindestsicherung eine Pflichtaufgabe. Es geht nicht darum, was sich die FPÖ irgendwann einmal gewünscht hat. Vielmehr geht es darum, dass das System leistbar bleibt, das zeigt auch die aktuelle Diskussion einer Deckelung auf Bundesebene. Das hat aber nichts mit Ausländerfeindlichkeit zu tun. Die vielen anderen Themen – etwa der Ausbau am Forschungssektor und im Bereich des Universitätsstandortes, die Investitionen im Bildungsbereich – gehen unter dem Motto "Blau-Schwarz und nur Flüchtlingsthema" völlig unter. Das entspricht nicht der Realität.

STANDARD: Man hätte aber bei der Mindestsicherung doch auch auf eine einheitliche Linie auf Bundesebene warten können, oder?

Haimbuchner: Warum? Jetzt waren halt wir in Oberösterreich Vorreiter. Die FPÖ hat immer den Ruf, gut kritisieren zu können und in der Opposition erfolgreich zu sein. Aber wir haben jetzt eben Regierungsverantwortung und auch da klar gezeigt, dass wir entscheidende Fragen mit Hausverstand auch entsprechend lösen können.

STANDARD: Sowohl die Kürzung der Mindestsicherung als auch die Deutschpflicht in Schulen sind rechtlich umstritten. Keine Angst, dass man an Justitia scheitert?

Pühringer: Wir haben immer als Basis die Untersuchungen des Verfassungsdienstes genommen. Nichts wurde ohne rechtliche Absicherung gemacht. Natürlich gibt es immer dann, wenn es zu einer politischen Auseinandersetzung kommt, auch Rechtsgelehrte, die aufstehen und das in Zweifel ziehen. Wir haben uns nie in einer Politik geübt, die nicht fundiert war. Und von manchen Medien ist eine Situation, die unter anderen Parteien ganz normal war, einfach auf Schwarz-Blau weit mehr zugespitzt worden, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Sie können mir aber glauben, dass wir in die ÖVP uns die Dinge, die wir beschließen, immer sehr genau überlegen. Allein bei der Mindestsicherung haben wir ein ganzes Packerl an genauen Berechnungen angestellt.

Haimbuchner: Das ist eine Frage des Hausverstandes und nicht die Frage eines ideologischen Wunschdenkens. Uns beiden kann man sicher keinen Populismus vorwerfen. Der Herr Landeshauptmann und ich müssen mit der linken Meinungsachse leben.

Pühringer: Man muss sich immer selbst treu bleiben. Auch wenn man keine absolute Mehrheit hat. Da muss man eben andere Meinungen zulassen. Aber: Man muss sich immer in den Spiegel schauen können. Und damit habe ich überhaupt kein Problem.

STANDARD: Herr Landeshauptmann, wer ist jetzt der einfachere Partner – die Grünen oder die FPÖ?

Pühringer: Das bewerte ich nicht. Ich war übrigens auch mit den Roten schon einmal zusammen.

Haimbuchner: Du hast beim Partnertausch mehr Erfahrung.

Pühringer: Ich mache da keine Klassifizierungen. Es war auf jeden Fall mit allen anders.

(Markus Rohrhofer, 15.10.2016)