Foto: privat

Ein zu hoher LDL-Wert wird zum Teil durch die Ernährung verursacht, auch Bewegung beeinflusst.

Foto: iStockphoto

Es gibt eine neue Generation von Medikamenten, die Cholesterin besonders stark senkt, die sogenannten PCSK9-Hemmer. Im Gegensatz zu Statinen sind es monoklonale Antikörper, die vor allem bei Patienten mit genetisch erhöhten Cholesterinwerten (im Fachbegriff: Familiäre Hypercholesterinämie (FH)) zum Einsatz kommen sollen.

Ein erhöhter Cholesterinspiegel tut nicht weh, deshalb spüren Betroffene meist auch nichts. Im Zuge der Lancierung des neuen Medikaments hat die Österreichischen Atherosklerosegesellschaft (AAS) auch die Forderung in den Raum gestellt, verstärkt Maßnahmen zur Früherkennung einzuführen, um frühzeitig, also vor kardiovaskulären Problemen, Diagnosen stellen zu können.

Doch nicht bei allen Menschen führt eine familiäre Hypercholesterinämie auch zu einer vorzeitigen Atherosklerose. DER STANDARD hat Andreas Sönnichsen, Experte für Evidenz basierte Allgemeinmedizin, um eine Einschätzung gebeten.

STANDARD: Wenn jemand mehr als 200 Milligramm pro Deziliter Gesamtcholesterin im Blut hat, spricht man von Hypercholesterinämie. Wie viele Menschen betrifft das?

Sönnichsen: In den westlichen Ländern haben mindestens die Hälfte aller erwachsenen Menschen einen Cholesterinspiegel über Milligramm pro Deziliter. Dieser Wert ist mehr oder weniger willkürlich festgelegt. Untersuchungen zeigen, dass die geringste Sterblichkeit bei einem Wert von etwa 180 bis 200 Milligramm pro Deziliter liegt. Sowohl darüber als auch darunter steigt das Sterberisiko an.

STANDARD: Wie gefährlich ist demnach ein hoher Cholesterinwert?

Sönnichsen: Wer einen erhöhten Cholesterinspiegel hat, hat ein erhöhtes Risiko für Arteriosklerose, die sich langsam über Jahre entwickelt. Damit steigt die Gefahr für einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall, oder eine periphere Durchblutungsstörung. Akut gefährlich ist ein hoher Cholesterinspiegel nicht. Hohes Cholesterin selbst verursacht auch nie Beschwerden. Der Cholesterinspiegel muss immer im Zusammenhang mit den anderen Risikofaktoren betrachtet werden. Dazu zählen vor allem Rauchen, hoher Blutdruck und Diabetes mellitus. Behandlungsbedürftig ist in der Regel ein hohes Gesamtrisiko, nicht ein isoliert erhöhter Cholesterinspiegel.

STANDARD: Manche Menschen kommen bereits mit einem hohen Cholesterinspiegel auf die Welt. Wie häufig ist so eine "familiäre Hypercholesterinämie"?

Sönnichsen: Für Deutschland geht man davon aus, dass ein Mensch von 500 eine familiäre Hypercholesterinämie hat. Das wären in Österreich 16.000 Personen. In einer Skandinavischen Studie war der Wert viel höher, aber die Studie hat sehr "großzügig" eine FHC diagnostiziert und keine genetische Untersuchung gemacht. Wenn man nur den isolierten LDL-Cholesterinwert betrachtet, kann man auch daneben liegen.

STANDARD: Ab welchem Cholesterinwert wird es wirklich gefährlich?

Sönnichsen: Diese Frage ist schwer zu beantworten, weil die schwere Hypercholesterinämie zu selten ist, um hier aussagekräftige Studien mit ausreichender Fallzahl zu machen. Man kann allerdings davon ausgehen, dass über 30 Prozent der Menschen mit einer vererbten Hypercholesterinämie irgendwann in ihrem Leben eine Herzkrankheit entwickeln, und das deutlich früher als Menschen mit normalem Cholesterin.

STANDARD: Kann man den Cholesterinspiegel durch eine Umstellung der Ernährung senken? Zum Beispiel, indem man statt Butter Diätmargarine aufs Brot streicht?

Sönnichsen: Die Möglichkeiten, den Cholesterinspiegel durch Ernährung zu beeinflussen, sind begrenzt. Die Höhe des Cholesterinspiegels ist auch bei Menschen ohne familiäre Hypercholesterinämie überwiegend genetisch bestimmt. Diätmargarine statt Butter bringt wahrscheinlich gar nichts außer ein bisschen Laborkosmetik.

STANDARD: Was kann man sonst zur Senkung des Cholesterins tun?

Sönnichsen: Man muss gar nichts tun, um das Cholesterin zu senken. Man muss etwas tun, um sein Gesamtrisiko für Arteriosklerose zu senken. Da steht der Lebensstil an erster Stelle: nicht rauchen, regelmäßige körperliche Aktivität und eine ausgewogene "mediterrane" Ernährung. In bestimmten Fällen kann es natürlich auch sinnvoll sein, Medikamente – so genannte Lipidsenker – zu nehmen, wie zum Beispiel Statine. Wichtig ist aber immer, das Gesamtrisiko im Auge zu behalten.

STANDARD: Seit rund einem Jahr sind in Österreich neue Medikamente zugelassen, so genannte PCSK9-Hemmer. Sie sind um ein Vielfaches teurer als die bisherigen Therapien. Wie gut ist ihre Wirkung?

Sönnichsen: Die PCSK9-Hemmer sind exzellente Cholesterinsenker. Derzeit wissen wir aber nur, dass sie den Cholesterinspiegel stärker senken als die bisher üblichen Statine. Es gibt noch keine Studien, die beweisen, dass die Behandlung mit PCSK9-Hemmern auch Arteriosklerose und kardiovaskuläre Ereignisse oder sogar Todesfälle verhindern. Diese Studien werden derzeit durchgeführt, sind aber noch nicht abgeschlossen und publiziert. Zudem gibt es noch keine Langzeitstudien bezüglich der Sicherheit. Diese Medikamente sollten daher nicht eingesetzt werden, wenn der Patient zum Beispiel nur ein hohes Cholesterin, aber noch keine Arteriosklerose hat. Bei Patienten, die bereits einen Infarkt hatten, kann man den Einsatz vertreten, wenn mit Statinen keine ausreichende Cholesterinsenkung erreicht wird.

STANDARD: Laut Schätzungen sind weniger als 10 Prozent der Menschen mit familiärer Hypercholesterinämie in medizinischer Behandlung. Manche Experten empfehlen daher ein europaweites Kaskadenscreening, um die Erkrankung frühzeitig zu erkennen. Halten Sie das für sinnvoll?

Sönnichsen: Die sehr vernünftige United States Preventive Services Taskforce (USPSTF) empfiehlt bei Personen mit einem erhöhten Arterioskleroserisiko ab dem 20. Lebensjahr regelmäßig alle fünf Jahre einen Cholesterintest zu machen. Männer ohne erhöhtes Risiko sollten ab 35 regelmäßig getestet werden. Kinder zu screenen halte ich – wie auch die USPSTF – für nicht vertretbar. Sie würden unnötigerweise stigmatisiert und zu Patienten gemacht werden. Sie mit PSCK9-Hemmern zu behandeln, wäre absolut unverantwortlich. Besonders bei Frauen ist auch die Chance relativ groß, dass eine familiäre Hypercholesterinämie nicht zu einer vorzeitigen Arteriosklerose führt. (Andrea Fried, 20.10.2016)

Weiterlesen

Österreich hat ein Cholesterin Problem

Extreme Cholesterinsenkung durchmonoklonale Antikörper

Neuer Cholesterinsenker am Prüfstand

Cholesterin-Medikamente könnten Krebssterblichkeit reduzieren