Die Vorbereitungen in Darmstadt laufen seit Wochen auf Hochtouren, die Anspannung ist groß. Heute blickt man im Raumflugkontrollzentrum der europäischen Weltraumorganisation Esa dem vorläufigen Höhepunkt einer technischen und wissenschaftlichen Großunternehmung entgegen: Die europäisch-russische Mission ExoMars ist nach siebenmonatiger Reise am Ziel. Während die Raumsonde Trace Gas Orbiter (TGO) in eine Umlaufbahn um den Mars gebracht wird, soll das Testmodul Schiaparelli um 16.48 Uhr MESZ auf dem Roten Planeten landen. DerStandard.at/Wissenschaft ist in Darmstadt mit dabei und berichtet live von der Landung.

Bis zum Bodenkontakt müssen aber noch einige schwierige Etappen gemeistert werden. "Man kann alles, was wir hier kommandieren, erst mit einer Verzögerung von knapp zehn Minuten sehen", sagt Peter Schmitz. So lange dauert es, bis die Signale der Sonde vom Mars zur Erde gelangen. Schmitz verantwortet als Leiter des Flugkontrollteams der Esa die Vorbereitung und Durchführung der bevorstehenden Manöver. Sein Team in Darmstadt steuert sowohl den ExoMars-Lander als auch die Raumsonde.

Für die Ingenieure bedeutet die verzögerte Kommunikation, dass direkte Steuerung unmöglich ist. Alle Befehle müssen genau vorausberechnet und im Vorfeld übermittelt werden. Schmitz: "Wir müssen Notfallszenarien vorhersehen und Lösungen mitdenken, die dann auch autonom ausgeführt werden können." Seit Wochen wird in Darmstadt getestet, ob die Kommandos fehlerfrei ausgeführt werden und wie sich veränderliche Bedingungen auf die Manöver auswirken könnten.

Künstlerische Darstellung des Landeroboters Schiaparelli beim Anflug auf den Mars. Am Mittwoch um 16.48 Uhr soll er sein Ziel erreichen: die Mars-Hochebene Meridiani Planum.
Illustr.: Esa / ATG medialab / M.Thiebaut

Bisher ist alles nach Plan verlaufen. Am Sonntag hat sich der Landeroboter wie vorgesehen rund 900.000 Kilometer vom Mars entfernt von der Raumsonde abgekoppelt. Die Kommandos dafür wurden so spät wie irgend möglich ausgegeben, um die allerletzten Daten der Sonde berücksichtigen zu können. Diese sind entscheidend, um den geplanten Landepunkt auf dem Mars zu erreichen – jede minimale Abweichung könnte fatal sein.

Roboter-Powernapping

Der angepeilte Landeplatz liegt in der Mars-Hochebene Meridiani Planum, nicht weit von jener Stelle entfernt, an der Anfang 2004 der Nasa-Rover Opportunity aufgesetzt hatte. Das Areal wurde ausgewählt, weil es einerseits flach ist und eine vergleichsweise sichere Landung verspricht. Andererseits ist es auch wissenschaftlich interessant: Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich hier Sedimente und Sulfate an der Oberfläche befinden, die durch Wasser entstanden sein dürften.

Seit der Trennung vom Trace Gas Orbiter befindet sich der Lander, der den Namen des italienischen Marsforschers Giovanni Schiaparelli (1835–1910) trägt, im Tiefschlafmodus. Um möglichst viel Energie zu sparen, bewegt er sich autonom auf den Mars zu und wird am Mittwoch erst wenige Stunden vor seinem Eintritt in die Marsatmosphäre in einer Höhe von rund 122 Kilometern über dem Planeten wieder aufwachen.

Dann geht alles recht schnell: Der eigentliche Landevorgang dauert nach Plan gerade einmal sechs Minuten. Um 16.42 Uhr soll Schiaparelli mit einer Geschwindigkeit von rund 21.000 km/h in die Marsatmosphäre eintreten. Aerodynamische Hitzeschilde bewahren ihn vor Schäden beim heftigen Abbremsen. In einer Höhe von elf Kilometern, der Lander soll dann nur mehr mit etwa 1.650 km/h auf den Roten Planeten zurasen, öffnet sich ein Fallschirm.

Kurz darauf wird der vordere Hitzeschild abgeworfen und der Radarhöhenmesser aktiviert. Damit kann der Minilander den Abstand zur Oberfläche permanent messen, was für den nächsten Schritt entscheidend ist: In einer Höhe von 1,3 Kilometern entledigt sich Schiaparelli auch des hinteren Hitzeschilds und des Fallschirms, nun wird das Bremssystem aus insgesamt neun Raketenmotoren aktiviert.

Künstlerische Darstellung des Landeroboters Schiaparelli beim Anflug auf den Mars. Am Mittwoch um 16.48 Uhr soll er sein Ziel erreichen: die Mars-Hochebene Meridiani Planum.
Illustr.: Esa / ATG medialab

Die Geschwindigkeit von zu diesem Zeitpunkt etwa 270 km/h wird kontrolliert weiter abgesenkt, in einer Höhe von zwei Metern über dem Boden hält Schiaparelli für einen kurzen Moment im Schwebeflug inne. Dann werden die Motoren abgeschaltet, und der Roboter fällt auf den Mars. Der Aufprall soll mit 18 km/h erfolgen. Schiaparelli soll dies aber nichts anhaben können: Eine verformbare Struktur auf seiner Unterseite dient als Knautschzone zum Schutz der Technik.

Internationale Kooperation

Das Flugkontrollteam wird die Landung auf mehrfache Weise mitverfolgen. "Zum einen hat die Esa mit Mars Express ja bereits seit 2003 einen Marsorbiter", sagt Schmitz. Zum anderen soll der Trace Gas Orbiter bei seinem geplanten Abbremsmanöver selbst kurz über Schiaparellis Landeplatz hinwegfliegen und versuchen, Signale aufzufangen. Knapp zwei Stunden nach der Landung eilt dann auch der Mars Reconnaissance Orbiter der Nasa zu Hilfe: Er soll Schiaparelli ebenfalls überfliegen, die ersten Daten empfangen und zur Erde senden.

Schiaparelli wird nach der Landung etwa drei bis vier Tage lang aktiv sein, ehe seine Energie versiegt. Er verfügt zwar über einige einfache Messinstrumente und wird Daten und Bilder des Landeanflugs schicken. Sein eigentlicher Zweck ist aber, die Technik für künftige Landemanöver auf dem Mars zu testen. 2020 soll nämlich ein mit zahlreichen Instrumenten ausgestatteter Rover folgen und umfangreiche Untersuchungen der Marsoberfläche durchführen.

Der Trace Gas Orbiter wird Ende November seine wissenschaftliche Arbeit aufnehmen. In mehreren Manövern soll seine Bahnhöhe sukzessive verringert werden, bis er im März 2017 eine Umlaufzeit von nur zwei Stunden erreicht. Seine Hauptaufgabe ist es, die Zusammensetzung der Atmosphäre zu beobachten und vor allem Gasspuren zu identifizieren, die geologischen oder gar biologischen Ursprungs sein könnten.

Eine erfolgreiche Testlandung ist für die nächste Phase des Projekts nicht nur technologisch wichtig: Die Esa investierte rund 1,3 Milliarden Euro in die Mission, der russische Partner Roskosmos eine Milliarde. Weitere Kosten muss die Esa von ihren Mitgliedstaaten bewilligen lassen. Österreich, seit 1987 Mitglied der Organisation, wird in der Esa von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) im Auftrag des Verkehrsministeriums vertreten. Der österreichische Anteil am Esa-Gesamtbudget lag 2015 bei rund 51,5 Millionen Euro. (David Rennert aus Darmstadt, 18.10.2016)