Wien – Manche nicht-menschlichen Lebewesen gehen in die Geschichtsbücher ein, wie Pestbazillen und die Kriegselefanten Hannibals. Andere wiederum beeinflussen die Menschheit still und leise – aber deutlich, erklärte die US-Sozialanthropologin Anna Tsing am Montagabend bei einem Vortrag an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien.

Hübsch anzusehen blühten die Wasserhyazinthen (Eichhornia crassipes) einst ausschließlich in Zeiten ruhigen Wassers in Amazonien. "Die kolonialen Wasseringenieure haben ihnen aber im 19. Jahrhundert auf der ganzen Welt stille Reservoirs gebaut, und seitdem breiten sie sich unkrautartig aus", so Tsing, die an der University of California Santa Cruz (USA) forscht. Sie leben nun etwa in europäischen Gärten, den Deltas des Mekong in China und des Nils in Ägypten sowie im Panamakanal und haben sich somit die ruhigen Wasser der Welt erobert.

Rasantes Wachstum

Dabei veränderten sich die Pflanzen, so Tsing. Ihr komplizierter Mechanismus, um in einer wechselnden Umwelt viele Unterschiede zu bewahren, verschwand zugunsten rasanten Wachstums. So können sie in Windeseile ganze Gewässer und Wasserreservoirs überwachsen und damit Fischsterben auslösen, den Sauerstoff darin zum Verschwinden bringen und sie zum Herd für Krankheitserreger machen.

Auch den Baumwollkapselkäfern (Anthonomus grandis) haben die Menschen ein "Warenhaus von fruchtbarkeits-schaffendem Futter" geschaffen, erklärte Tsing. Sie können vom Pollen verschiedenster Pflanzen leben, legen ihre Larven aber ausschließlich in Baumwoll-Knospen. Die Larven zerstören die Knospen. Bevor es Plantagen gab, betraf das nur eine Pflanze von vielen, doch dann konnten die Insekten ganze Landstriche devastieren.

Weil die Käfer so ganze Ernten vernichtete, brachten sie Anfang des 20. Jahrhunderts den Baumwollabbau im Süden der Vereinigten Staaten um seine Vormachtstellung und zahlreiche Pflücker um ihre Lebensgrundlage. Die Baumwoll-Schädlinge, die einst unbedeutende Insekten waren, grassieren heute immer noch, vor kurzem haben sie die Baumwollgebiete in Zentralargentinien erreicht, so die Forscherin.

Neue Formen von schädlichen Pilzen

Mit dem weltweiten Gärtnereien-Handel breiten sich auch pilzähnliche Baumschädlinge (Phytophthora) aus, erklärte Tsing. Sie vermischen sich zu neuen Formen, die auf einmal andere Bäume befallen und zum Absterben bringen. Besonders fatal sei das in von Menschen gepflanzten Monokulturen. "Solange weltweit Böden verschifft werden, ist es sinnlos dagegen vorzugehen", meint Tsing. Denn selbst wenn man die Krankheit an einem Ort los wird, könnte sie oder eine andere mit der nächsten Ladung wieder kommen und von neuem für Unheil sorgen.

"Wenn wir die Effekte des menschlichen Handelns auf der Erde besser verstehen wollen, müssen wir auch auf die 'anderen' achten, die uns folgen und die Geschichte – zum Besseren oder Schlechteren" beeinflussen, meint die Kultur-Anthropologin. (APA, 19.10.2016)