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Bei der molekularbiologischen Methode CRISPR/Cas können Mutationen an bestimmten Stellen eines Zellgenoms hergestellt werden, wodurch sich Gene gezielt entfernen lassen.

Illustr.: Picturedesk / Science Photo Library / Pasieka

Fei Ann Ran: "Im Gegensatz zu anderen biologischen Experimenten können wir im Genome Editing schnell Ergebnisse sehen."

Foto: privat

Wien – Die als "Genschere" bekannte CRISPR/Cas-Methode wird als eine der wichtigsten Entdeckungen der Molekularbiologie angesehen. Sie ist ein Werkzeug zum Genome Editing, dem Herstellen von Mutationen an bestimmten Stellen eines Zellgenoms. An die doppelsträngige DNA bindet eine passende einsträngige RNA, und die Erbsubstanz wird hier vom Cas-Protein geschnitten. Dadurch lassen sich Gene entfernen, leicht verändern oder auch auf ähnliche Weise ins Genom einsetzen. Die Molekularbiologin Fei Ann Ran war an der Entwicklung der Methode beteiligt und berichtet darüber diese Woche in Wien bei der Veranstaltungsreihe TEDx Vienna.

STANDARD: Welche Möglichkeiten schafft die CRISPR/Cas-Methode?

Ran: Genome Editing ist bereits seit einigen Jahrzehnten ein wichtiges Instrument in der Biologie. Es war aber oft nicht einfach durchzuführen. CRISPR senkt beträchtlich die Schwelle und macht spezifische Genomveränderung für verschiedenste Forschungsfragen und viele Labs möglich. Es ist sehr nützlich für Grundlagenforschung, hat aber auch viele potenzielle Anwendungsmöglichkeiten in Landwirtschaft und Medizin.

STANDARD: Als Doktorandin haben Sie das CRISPR-System für die Genomveränderung von Säugetierzellen angepasst. Dafür haben Sie 2013 den Meselson-Preis des Departments für molekulare und Zellbiologie Harvard erhalten, für das "schönste Experiment". Was macht ein Experiment schön oder elegant?

Ran: Das ist eine gute Frage. Ich denke, es ist sehr ansprechend, wenn Menschen Verbindungen zwischen ursprünglich sehr unterschiedlichen Ideen herstellen können. Wenn man von großen Entdeckungen in der Vergangenheit liest, hat man daher manchmal ein Aha-Erlebnis. Dieser Aha-Effekt ist ein Aspekt dessen, was ein Experiment schön macht. Oft ist es auch eine relativ simple Idee, auf der ein Konzept basiert, und man denkt sich vielleicht: "Aha, wieso bin ich da eigentlich nicht draufgekommen?"

STANDARD: Worin besteht die Schönheit von CRISPR/Cas?

Ran: Sie ist verhältnismäßig leicht verständlich, genau wie ihre Anwendbarkeit für verschiedene Ziele. Das System bewältigt auch einige traditionelle Herausforderungen des Genome Editings auf elegante Weise. Es nutzt etwa die Paarung von DNA mit RNA, anstatt spezifische DNA-Basen von Proteinmodulen erkennen zu lassen. Dadurch wurde das Problem gelöst, wie wir ein Protein dazu bringen, an die richtige Stelle im Genom zu kommen. Gleichzeitig ist die Methode sehr einfach durchführbar und billig, also auch kosteneffektiv.

STANDARD: In Bezug auf CRISPR gibt es Patentstreitigkeiten, vor allem zwischen dem Broad Institute und der University of California in Berkeley. Hat das Konsequenzen für Ihre Forschung?

Ran: Das ist nichts, woran ich im Laboralltag denke. Ich weiß, dass es diese Streitigkeiten gibt, aber ich konzentriere mich darauf, meine Arbeit zu machen.

STANDARD: Was ist wichtig bei der Kommunikation wissenschaftlicher Entdeckungen wie CRISPR?

Ran: Ein essenzieller Punkt für mich ist, zu zeigen, dass Grundlagenforschung sehr wichtig ist. CRISPR wurde bereits in den 1980er-Jahren in Bakterien identifiziert, aber erst Jahrzehnte später konnte man verstehen, was das System tut. Wenn Grundlagenforscher dieses natürliche Bakterienschutzsystem gegen Viren nicht entdeckt hätten, hätten wir nun nicht dieses großartige Werkzeug, das die Biologie verändert.

STANDARD: Ist es zielführend, dabei eine Begeisterung für Wissenschaft zu transportieren, oder sollten Vermittler eher neutral sein?

Ran: Ich denke, eine gute Balance ist wichtig. Natürlich ist dieses Feld sehr aufregend für mich persönlich, und ich sehe mich als optimistische Forscherin: Ich erkenne viele Möglichkeiten, wohin uns dieses Instrument bringen könnte, etwa das Potenzial, menschliche Erbkrankheiten zu behandeln. Das ist spannend für mich und wahrscheinlich auch für jeden anderen. Daher ist es wichtig, die Begeisterung für neue Technologien, Entdeckungen und ihre Bedeutung für uns alle zu vermitteln. Gleichzeitig ist es wichtig, es mit der Begeisterung und dem Optimismus nicht zu übertreiben und zu erkennen, dass es immer noch Dinge gibt, die wir am System nicht verstehen und dass es Vorbehalte in der Anwendung gibt. Wir sind noch immer dabei, die Methode zu verbessern und sicherer zu machen.

STANDARD: Wie wird Ihre Arbeit vom Druck, möglichst schnell Ergebnisse zu veröffentlichen, beeinflusst?

Ran: Ich weiß gar nicht, ob es einen besonders großen Publikationsdruck gab, als ich mit der Arbeit an diesem Projekt begonnen habe, oder ob das vielmehr meine eigene Neugierde war, zu sehen, was als Nächstes passiert. Wenn man sich dieses Forschungsfeld aussucht, weiß man aber, dass sehr viel publiziert wird und es schnell vorangeht. Für mich ist das mit der Grund, warum ich Spaß an der Molekularbiologie und dem Genome-Editing-Bereich habe: Im Gegensatz zu anderen biologischen Experimenten, die Monate oder Jahre dauern, können wir relativ schnell Ergebnisse sehen. Das ist ziemlich gut, wenn man ungeduldig beim Warten auf Ergebnisse ist.

STANDARD: Woran arbeiten Sie derzeit?

Ran: Ich möchte CRISPR/Cas als potenzielle Therapie für Erbkrankheiten weiterentwickeln. Dafür will ich CRISPR-Systeme von unterschiedlichen mikrobiellen Arten erforschen, sie für die Genomveränderung erschließen und verschiedene Wege untersuchen, wie man die Systeme in mehrzellige Organismen, etwa in erwachsene Tiere, einbringt. (Julia Sica, 21.10.2016)