Das Zottenwinklmoos bei Hallstatt. Ruth Drescher-Schneider bei der Tiefensondierung.

Foto: Kerstin Kowarik/NHM Wien

Der Hallstätter See.

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Bohrkern aus dem Zottenwinklmoos.

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Bäche, wie der Waldbach transportieren Sedimentmaterial in den Hallstätter See.

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Abbau der Bohrplattform nach der Bohraktion im Hallstätter See.

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Archäologie erforscht das Verhalten menschlicher Gesellschaften in der Vergangenheit. Unsere Untersuchungsgrundlage wird dabei durch die materiellen Hinterlassenschaften dieser Menschen gebildet. Hierzu zählen grob zusammengefasst Reste von Bauwerken, Produktionsspuren wie zum Beispiel Steinbrüche, menschliche Überreste und Dinge, die von Menschen gefertigt beziehungsweise verändert wurden, etwa Werkzeug und Speisereste. Diese Aufzählung ist nicht vollständig, doch deckt sie einen Großteil unserer Quellen ab.

Eine wichtige Gruppe lässt sich allerdings nicht ganz so leicht in diese Liste einpassen. Welche? Ein spezieller Typ unter den Umweltarchiven – die so genannten natürlichen Sedimentfallen. Im Klartext geht es mir einmal mehr um Seen und Moore und ihr Potential für die Erforschung unserer Vergangenheit. Seen und Moore spielen in unseren Forschungen zu dem prähistorischen Bergbau in Hallstatt und den Seeufersiedlungen an Attersee und Mondsee ein große Rolle. Im Sommer habe ich über unsere aktuellen Arbeiten im Hallstätter See und am Mondsee berichtet. In diesem Blogbeitrag beschäftige ich mit diesem Thema aus einer etwas anderen Perspektive.

Der Mensch und die Umwelt – ein System

Der Mensch beeinflusst seine physische Umwelt in einem hohen Ausmaß. Menschliches Handeln wirkt sich auf die Zusammensetzung von Tier- und Pflanzengesellschaften, die Sauberkeit von Wasser und Luft, die Formung der Landschaft – und inzwischen sogar auf die klimatischen Verhältnisse aus. Gleichzeitig werden wir durch unsere physische Umwelt beeinflusst. Tatsächlich befinden wir uns in ständiger Wechselwirkung mit der uns umgebenden Welt. Das gilt für die Gegenwart und die Vergangenheit.

Auf der Spur vergangener Prozesse

Mich beschäftigt, wie wir diesen Prozessen in der Vergangenheit auf die Spur kommen können. Im Besonderen interessiert mich, wie die Menschen in ihre Umwelt eingegriffen haben, was sie dadurch bewirkt haben und welchen Einfluss dies heute auf uns hat. Denn die Landschaften und Umwelten, in denen wir leben, sind schon sehr lange keine unberührten natürlichen Landschaften mehr. Sie wurden über Jahrtausende durch die Menschen geformt. Um der Geschichte der Mensch-Umwelt-Beziehung auf die Spur zu kommen, können wir verschiedene Quellen anzapfen. Andreas Heiss hat zum Beispiel vergangene Woche an dieser Stelle die Bedeutung botanischer Funde in archäologischen Ausgrabungen vorgestellt. Aber mein Ding sind nun einmal die Sedimentfallen.

Was finden wir in Sedimentfallen?

Ganz einfach? Sedimente. Komplizierter? Eine Unmenge an organischen und anorganischen Materialien, die uns indirekte Hinweise auf die naturräumlich-klimatischen Verhältnisse in der Vergangenheit und die Wirkung des Menschen auf die Umwelt geben. Was aber findet sich nun konkret in Seen und Mooren? Wie gelangt es dort hin? Und welche Informationen können wir aus diesen Materialien ableiten?

Am Boden von Seen und in Mooren sammeln sich Reste von Pflanzen wie Blätter oder Blütenstaub, Reste von Tieren wie Insektenkiefer und Fischschuppen sowie Bruchstücke von Festgesteinen. All diese Materialien können durch Wind, Wasser und Erdbewegungen transportiert und in Moore und Seen eingebracht werden. Diese Materialien sammeln sich natürlich nicht nur in Seen und Mooren an, sondern können auch an anderen Stellen akkumulieren. Der wesentliche Vorteil von Seen und Mooren ist jedoch, dass die organischen Materialien hier aufgrund der besonderen Bedingungen erhalten bleiben. Damit bekommen wir einen wesentlich breiteren Ausschnitt der natürlichen Bedingungen im Umfeld der Sedimentfalle zu fassen.

Waldnutzung, Landwirtschaft, Erosion, Verschmutzung

Welche Informationen über menschliches Leben lassen sich nun aus diesen Ablagerungen ableiten? Wir fassen zum einen Informationen über landschaftsgebundene Wirtschaftsformen wie Waldnutzung oder Landwirtschaft. Hier ist der Blütenstaub unsere Hauptinformationsquelle. Greift der Mensch stark in den Wald ein, wird zum Beispiel viel gerodet, sind weniger Baumpollen in der Luft, weniger dieser Pollen werden in Moore und Seen transportiert und in der Sedimentprobe werden durch die Palynologin oder den Palynologen weniger Baumpollen ausgezählt. Werden gleichzeitig mehr Felder bestellt, finden sich mehr Pollen von Ackerpflanzen in den Sedimentproben.

Zum anderen können Sedimentproben aus Seen und Mooren auch Informationen über die Intensität der menschlichen Präsenz geben. So könnte einer erhöhter Eintrag von Gesteinspartikeln als Hinweis auf menschbedingte Erosion – etwa durch Abholzung – gewertet werden. Wir können auch Aussagen über den Grad der Umweltverschmutzung treffen. So müssen wir etwa im Fall der prähistorischen Seeufersiedlungen davon ausgehen, dass der Großteil der menschlichen und tierischen Exkremente in die Seen eingetragen wurde. Dies hat wiederum – ab einem bestimmten Ausmaß – Einfluss auf das Ökosystem See, denn es gelangen mehr Nährstoffe in den See. Durch den erhöhten Nährstoffeintrag wird das Wachstum bestimmter Planzen und Algen gefördert. Dies kann wiederum durch paläoökologische Untersuchungen nachgewiesen werden.

Komplex – interdisziplinär – frustrierend – faszinierend

Meine Faszination für die Möglichkeiten interdisziplinärer Untersuchungen an See- und Moorsedimenten wird sich wohl nie legen. Aber ganz so einfach wie in meiner Darstellung ist die Situation nun doch nicht. Denn zumeist lässt sich für die beobachteten Muster nicht eine eindeutige Erklärung finden. Im Allgemeinen können die Daten in unterschiedliche Richtungen interpretiert werden. Verschiedene Erklärungsmodelle müssen in Betracht gezogen werden.

So ist häufig abzuwägen, ob die beobachteten Muster eher auf klimatische oder menschliche Einflüsse zurückzuführen sind. Auch die große disziplinäre Bandbreite (Zoologie, Botanik, Geologie, Mineralogie, Geochemie, Ökologie et cetera) birgt nicht nur hohes Erkenntnispotential, sondern auch hohes Konfusionspotential. Gelegentlich entsteht dabei durchaus einmal das Gefühl, dass man einen Schritt nach vorne und zwei zurück macht. Aber das legt sich normalerweise relativ schnell und die Freude über die Erkenntnismöglichkeiten überwiegt. (Kerstin Kowarik, 20.10.2016)