Die Mindestsicherung ist als letzte Absicherung gedacht. Für wen und in welcher Höhe sie bezahlt werden soll, darüber sind sich die Parteien und Länder seit Monaten nicht einig.

Sozialminister Alois Stöger fordert die ÖVP auf, nicht das ganze Land "in Geiselhaft" zu nehmen.

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Das führt in der Koalition zur nächsten Belastungsprobe.

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Wien – Die Mindestsicherung führt zum nächsten veritablen Krach in der rot-schwarzen Koalition. Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) gab am Donnerstag der ÖVP die alleinige Schuld daran, dass bisher kein Kompromiss zustande kam.

Die Folge: Die angesprochenen schwarzen Landesparteien reagierten verschnupft, ebenso ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, der ob des Stöger'schen Wordings ("ÖVP soll sich am Riemen reißen" und nicht "ganz Österreich in Geiselhaft nehmen") nun nicht mehr versuchen will, vermittelnd einzugreifen.

Echter Deckel

Dabei war der Sozialminister der ÖVP weit entgegengekommen. Im Gegensatz zu früheren Modellen hätte er bei arbeitsfähigen Vollbeziehern der Mindestsicherung einem echten Deckel bei 1.500 Euro im Monat zugestimmt. Mehrkindfamilien hätten also auch inklusive Wohnkosten – bisher wollte die SPÖ diese zusätzlich gewähren – den Deckel nicht überschreiten können.

Asylberechtigte würden nur mehr dann den vollen Satz (837 Euro für Alleinstehende) bekommen, wenn sie eine Integrationsvereinbarung unterzeichnen (ansonsten wären es nur 520 Euro). Dieses Modell wird in Vorarlberg bereits praktiziert. Freilich gab es noch niemanden, der die Integrationsvereinbarung nicht unterzeichnet hätte, wie Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) sagt.

Wer wäre an Bord?

Stöger meint, Mitterlehner und acht Länder wären bei dieser Variante an Bord gewesen, im Büro des Vizekanzlers wird das aber bestritten. Es gelte noch immer die ÖVP-Forderung: Die volle Mindestsicherung sollten nur jene bekommen, die in den letzten sechs Jahren zumindest fünf Jahre in Österreich waren (was bei den zuletzt gekommenen Flüchtlingen logischerweise nie der Fall ist), ansonsten solle es nur 560 Euro im Monat geben.

Aber auch von einer Acht-Länder-Zustimmung kann keine Rede sein. Niederösterreich beharre auf einer niedrigeren Leistung für Zuwanderer, heißt es im Büro von Landesrätin Barbara Schwarz (ÖVP). Am Donnerstag wurde bereits ein Entwurf im Landtag eingebracht. Sollten die Forderungen des Landes nicht erfüllt werden, werde man diesen in einem Monat beschließen, heißt es.

Widerstand von Blauen

Oberösterreich, das Stöger als Hauptbremser sieht, hat bereits im Sommer eine Kürzung für Flüchtlinge beschlossen (inklusive Integrationsbonus nur 520 Euro). Dort sitzt die ÖVP mit der FPÖ in der Regierung. FPÖ-Landeschef Manfred Haimbuchner macht im STANDARD-Gespräch klar, dass man die volle Leistung für Asylberechtigte nie akzeptieren würde. "Dafür bekäme die ÖVP kein grünes Licht." Denn: "Das ist ein Magnet für Armutszuwanderung."

In Ländern mit grüner Regierungsbeteiligung brächte Stöger wiederum die Deckelung mit 1.500 Euro für Arbeitsfähige nicht durch. "Für uns ist das nicht tragbar", sagt die Vorarlbergerin Wiesflecker unter Verweis auf die hohen Wohnkosten im Westen. Ebenso wenig kommt für sie eine grundsätzlich niedrigere Leistung für Zuwanderer nach nieder- und oberösterreichischem Vorbild infrage (eine solche hält auch Stöger für verfassungswidrig).

Plan B für Wien

Ähnlich argumentieren die Grünen in Wien, wo es mit Abstand die meisten Mindestsicherungsbezieher gibt. Einem Deckel von 1.500 Euro werde man "sicher nicht" zustimmen, sagt Sozialsprecherin Birgit Hebein. Davon wären schon Familien mit zwei Kindern betroffen (Wien hat die höchsten Kinderzuschläge, Anm.). Der ÖVP wirft sie "schäbiges Verhalten" vor.

Nicht näher kommentieren wollte Wiens Soziallandesrätin Sonja Wehsely (SPÖ) den jüngsten Stöger-Vorschlag. Bürgermeister Michael Häupl machte im Gespräch mit dem STANDARD aber klar, dass sich auch Wien auf ein endgültiges Scheitern der Verhandlungen vorbereitet. "Wir arbeiten an einer eigenen Lösung. Wir denken über einen Plan B nach." (Günther Oswald, David Krutzler, 20.10.2016)