Nicola Sturgeon (hier mit Vize Angus Robertson) bereitet Schottlands Austritt aus dem Vereinigten Königreich vor

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Edinburgh/London – Die schottische Regierung hat einen Gesetzesentwurf für ein erneutes Referendum über eine Unabhängigkeit von Großbritannien vorgelegt. Regierungschefin Nicola Sturgeon erklärte am Donnerstag, ihre Regierung sei zwar weiterhin bereit, mit der britischen Regierung über die künftige Beziehung zur Europäischen Union zu verhandeln, die für das gesamte Vereinigte Königreich gelte.

Wenn sich jedoch herausstelle, dass die Interessen Schottlands nur durch eine Unabhängigkeit gewahrt werden könnten, "dann muss die schottische Bevölkerung die Möglichkeit haben, diese Frage erneut zu stellen, und dies, bevor das Vereinigte Königreich die EU verlässt".

Die Wähler des Vereinigten Königreichs hatten in einem Referendum am 23. Juni mit rund 52 Prozent für den EU-Austritt gestimmt. Die Schotten allerdings votierten mit 62 Prozent für einen Verbleib – ihnen droht nun aber, gemeinsam mit dem Rest des Königreichs den Staatenbund verlassen zu müssen.

"Inakzeptable Risiken"

Die jüngsten Erklärungen aus London zum Austritt aus der EU weckten bei der schottischen Regierung "ernsthafte Befürchtungen", erklärte Sturgeon bei der Vorlage des Gesetzesentwurfs. Schottland stehe vor "inakzeptablen Risiken für seine demokratischen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen und für das Mitspracherecht des schottischen Parlaments".

Der Gesetzesentwurf ähnelt in weiten Teilen dem Gesetz zum Unabhängigkeitsreferendum von 2014. Damals hatten die Schotten schon einmal über eine Unabhängigkeit von London abgestimmt: 55 Prozent votierten für den Verbleib im Vereinigten Königreich.

Die britische Premierministerin Theresa May will den EU-Austritt ihres Landes bis Ende März in Brüssel beantragen, für die anschließenden Verhandlungen gilt eine Zweijahresfrist. May nahm am Donnerstag erstmals an einem EU-Gipfel der 28 in Brüssel teil, wo sie über den Stand der Pläne für den EU-Austritt informieren wollte.

Im Zusammenhang mit dem Brexit-Votum stieg die Zahl der Briten, die die Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Landes beantragten, in den ersten Monaten dieses Jahres um 250 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum an, wie die britische Zeitung "The Guardian" am Donnerstag berichtete. Demnach beantragten mehr als 2.800 Briten in 18 EU-Ländern einen Pass des jeweiligen Landes. Die Länder Dänemark, Italien, Irland und Schweden verzeichneten den höchsten Anstieg. Offiziellen Angaben zufolge leben mindestens 1,2 Millionen britische Staatsbürger in anderen Ländern der EU. (APA, AFP, 20.10.2016)