Demonstranten und Polizisten standen einander am Abend des FPÖ-Akademikerballs gegenüber. Ein Scharmützel nach Ende der Demo wirft die Frage auf, ob sich alle Beamten korrekt benommen haben.

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Wien – Es war Jänner, und in der Hofburg walzten die rund 1000 Gäste des von der FPÖ organisierten Akademikerballs. Rundherum demonstrierten die Gegner der rechten Ballnacht. Dass die beiden Welten nicht aneinandergerieten, dafür sorgten rund 2800 Polizisten aus ganz Österreich. Den Medien erzählte man, die Kundgebung der 5000 Demonstranten (die Organisatoren behaupteten 8000 Teilnehmer) sei weitgehend friedlich verlaufen – es sei zu keinen nennenswerten Zwischenfällen gekommen. 14 Polizisten seien "leicht verletzt" worden, gab Johann Golob, Sprecher der Wiener Polizei, damals bekannt.

So weit, so halbwegs friedlich. Ganz anders klingt die Erzählung über diesen Abend aus den Mündern von fünf jungen Demonstranten: Einige Polizisten in Zivil hätten, nach Beendigung der Demo, aktiv Streit gesucht. Die fünf sagen, sie seien geschlagen und massiv bedroht worden. Das Benehmen der Beamten in Zivil sei so gewesen, dass "man nur von einer Polizei zum Fürchten" sprechen könne, sagte einer ihrer Anwälte, Manfred Arthofer, dem STANDARD.

Nicht untersuchenswert

Die Wiener Polizei fand den Fall offenbar nicht untersuchenswert – über interne Ermittlungen gegen die beteiligten Beamten ist nichts bekannt, oder zumindest gibt man darüber keine Auskunft. "Wir kommentieren keine laufenden Verfahren", heißt es lapidar.

Denn ein Verfahren gibt es – und zwar gegen die fünf jungen Männer Anfang 20, unbescholten, politisch aktiv, aber "weit entfernt von der radikalen Linken", wie deren Anwälte beteuern.

Die jungen Männer müssen sich nun wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt, gefährlicher Drohung und schwerer Körperverletzung verantworten – begangen an 13 Polizeibeamten in Zivil nach Ende der Demo auf der Mariahilfer Straße vor einer Starbucks-Filiale. Die Strafsache ist so brisant, dass sich nun auch die Politik dafür interessiert. Der Grünen-Abgeordnete Karl Öllinger plant eine parlamentarische Anfrage an den Innenminister. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch die Aussagen einer Zeugin, die von den Beamten beschimpft worden sein soll.

Die fünf Angeklagten bekennen sich vor Gericht allesamt nicht schuldig und sagen aus, sie seien von den Polizisten nahezu überfallen worden. Die 13 Polizisten behaupten, nahezu gleichlautend, das Gegenteil. Sie hätten sich, friedlich im Starbucks sitzend, von den Demonstranten vor der Tür "enttarnt und bedroht" gefühlt und sich wehren müssen. Verteidiger Christian Schmaus sagt: "Die Übereinstimmung der Aussagen der Polizisten wirft Fragen auf, ebenso das chronische Nichtwissen in Bereichen, die für sie nachteilig sein könnten."

Überraschte Zeugin

Es steht Aussage gegen Aussage. Die Zeugin sagte im Prozess: "Ich habe nicht verstanden, warum die Beamten so vorgehen, es war unverhältnismäßig. Ich weiß, dass sich Polizisten auch in Stresssituationen benehmen müssen. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie provoziert worden wären." Die Zeugin, Cathrin Kahlweit, ist schon aufgrund ihres Berufs eher unverdächtig, für eine Seite Partei ergreifen zu wollen. Ihr Job ist es seit 30 Jahren, möglichst unvoreingenommen zu berichten. Kahlweit ist eine bekannte Journalistin, seit einigen Jahren Österreich-Korrespondentin der "Süddeutschen Zeitung".

Dass sie als Zeugin nominiert wurde, sei für sie überraschend gewesen, sagte Kahlweit auf Nachfrage des STANDARD – weil sie auf ihre Beschwerde in eigener Sache (Behinderung bei der Arbeit als Journalistin) nie eine Reaktion von offizieller Stelle erhalten habe.

Am ersten Verhandlungstag sagte Kahlweit aus, sie sei, aus dem Theater kommend, zufällig auf den Tumult auf der Mariahilfer Straße gestoßen. Sie habe nicht sofort erkannt, dass es sich bei der Gruppe um Beamte in Zivil gehandelt habe. Die Männer seien sehr martialisch gekleidet gewesen und ungewöhnlich rabiat vorgegangen. Dass sie zur Polizei gehörten, habe sie erst verstanden, als ein Bus voll Uniformierter dazustieß, die mit den Männern sprachen. Als sie sich als Journalistin zu erkennen gab und wissen wollte, was hier los sei, habe sie ein Mann in Flecktarn, offenbar ein Beamter, als "Scheiß Kuh" beschimpft und auf ihre Aufforderung, seine Dienstnummer bekanntzugeben, lediglich geschimpft, sie solle zu ihrer "Scheiß Merkel nach Hause gehen". Erst nach vielen Mühen sei es ihr gelungen, wenigstens eine Dienstnummer zu bekommen. An den Mann im Flecktarn, den auch die Angeklagten detailliert beschrieben, konnte sich im Prozess übrigens keiner der Polizisten erinnern.

Knochen brechen im Wald

Die Angeklagten sagen, sie seien vor den Polizisten geflohen, von ihnen überwältigt, verprügelt und gefesselt worden. Einer der Angeklagten sagte aus, er habe einen Polizisten gebeten, seine Fesseln zu lockern. Daraufhin soll der Beamte gesagt haben, "er könne noch ganz anders, zum Beispiel mit mir in den Wald fahren und mir alle Knochen brechen". Die Polizisten bestreiten das. Kahlweit dagegen sagt, auch sie habe diesen Satz gehört.

Kahlweits Beschwerde ist ein unschöner Seitenaspekt des Falles. Erst als Zeugin vor Gericht erfuhr die Journalistin, die Ermittlungen in ihrem Fall seien eingestellt worden. "Stimmt nicht", sagt Nina Bussek, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, "sie wurden nur vorläufig abgebrochen." Warum das? Man habe, trotz intensiver Nachforschungen, den Mann im Flecktarn bis dato nicht ausfindig machen können. Detail am Rande: Ein Beamter, offenbar ein Vorgesetzter, rief Kahlweit eine Woche nach der Prügelei auf der Mariahilfer Straße an. Der Mann, sagte die Zeugin im Prozess aus, habe sie dringlich gefragt, woher sie seine Dienstnummer habe – und welcher Kollege sie preisgegeben habe.

Kommenden Montag geht der Prozess weiter. Den Angeklagten drohen im schlimmsten Fall bis zu drei Jahre Haft. (Petra Stuiber, 21.10.2016)