Tina Maze gab in Sölden eine emotionale Abschieds-Pressekonferenz.

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Sölden – Journalisten und Fotografen steigen sich gegenseitig auf die Füße. Es ist gesteckt voll. Die Luft steht. Alle warten auf Tina Maze. Vielleicht wurde der Raum im Hotel Bergland in Sölden zu klein gewählt – vielleicht hätte man doch in Cristiano-Ronaldo-Dimensionen denken sollen. Tina Maze ist nicht Cristiano Ronaldo, aber auch nicht irgendwer. Und Tina Maze hat etwas zu verkünden.

18.34 Uhr, die Kameralichter gehen an, Geknipse, Applaus, jemand betritt den Raum. Vieles deutet darauf hin, dass es sich um Frau Maze handelt. Ein Film sollte eingespielt werden, bloß der Ton funktioniert nicht. Maze – sie ist es – ergreift das Wort. Ob man ein Fenster aufmachen könne, fragt sie. An der Technik wird gefeilt, der Ton will nicht. "Wie geht’s sonst?" fragt Maze. Ein Journalist schreit: "Wie geht’s Ihnen? Das ist doch die Frage." "Mir geht’s gut."

Gut, dass die wichtigen Fragen geklärt sind. Frau Maze hat ja etwas zu sagen. Sie habe eine Ansprache vorbereitet. Dann liest sie. In Englisch. "Ich hoffe jeder versteht Englisch."

Abschied in der Heimat

Ein Jahr Auszeit hat sich Tina Maze, eine der erfolgreichsten Skirennläuferinnen der vergangenen Jahre, genommen. Was dann passieren würde, war unklar. Zuletzt war berichtet worden, die Slowenin würde heuer eine Abschiedssaison bestreiten – keine komplette – nur mit einigen ausgewählten Rennen. Mazes Abschiedssaison, so berichtet die 33-Jährige am Donnerstagabend, beschränkt sich auf ein Wochenende – das Weltcupwochenende in Maribor, Slowenien, Anfang Jänner. "Ich will noch ein finales Rennen fahren", sagt sie.

"Ich bin hier, um allen zu danken, die mich begleitet haben", liest Maze von ihrem Zettel ab. Ihren Eltern, ihren Trainern, ihren Sponsoren, ihren Ausrüstern, ihrem Verband – so ziemlich allen. Und für ziemlich alle hat Maze ein Abschiedsgeschenk. Und ziemlich alle haben für Maze ein Abschiedsgeschenk. Sogar den Journalisten und Fotografen sagt die Slowenin Danke.

"Jetzt werde ich emotional." Maze erzählt, wie schüchtern und unsicher sie früher im Umgang mit Medien war. Das habe sich gewandelt. "Die Berichte über mich", sagt sie, "sind wie Songs für einen Sänger". Maze hat Stoff für viele gute Lieder geliefert.

Punkterekord im Weltcup

In Sotschi 2014 wurde sie Doppelolympiasiegerin, in Vancouver 2010 holte sie zweimal Silber. In Vail 2015 war sie Doppelweltmeisterin. Insgesamt gewann Maze viermal WM-Gold und fünfmal -Silber. 26 Mal siegte sie im Weltcup, in dem sie am 2. Jänner 1999 debütierte. Als eine von nur sechs Skirennläuferinnen gewann sie in allen fünf Disziplinen.

Und Maze sorgte für eine Rekordmarke. 2013 gewann sie den Gesamtweltcup mit 2414 Punkten. Kein Mann, keine Frau schaffte jemals mehr. Und dafür habe Maze keine extra Mittelchen gebraucht, worauf Andrea Massi, Mazes italienischer Trainer und Freund hinweist. "2414 Punkte waren möglich mit Schnitzel, Pasta, Gemüse und Gulaschsuppe."

Ein paar Tränen muss Maze verdrücken. Abschiede sind emotional. Aber, sagt sie: "Jedes Ende hat einen neuen Anfang." Sie habe viele Projekte im Kopf. Sie will ihre Erfahrung weitergeben. Ein Projekt ist konkret. Maze arbeitet als Expertin beim TV-Sender Eurosport.

Die Luft steht noch immer. Das mit dem Fenster öffnen hat nicht geklappt. Der Raum war zu klein. Maze ist nicht irgendwer. (Birgit Riezinger, 20.10.2016)