Sonja Wehsely (rechts) droht damit, Mindestsicherungsanträge von Menschen, die aus anderen Ländern nach Wien ziehen, nicht mehr sofort anzunehmen.

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Wien – Sollte es zu keiner österreichweit einheitlichen Lösung bei der Mindestsicherung kommen, werde auch Wien zu einer eigenen Lösung greifen, hat Wiens Bürgermeister Michael Häupl am Donnerstag angekündigt. "Wir denken über einen Plan B nach", sagte er zum STANDARD.

Wie der aussehen könnte, deutete seine Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) am Freitag im Ö1-"Morgenjournal" an. Ihr zufolge könnte das Recht, Anträge auf Mindestsicherung zu stellen, in Wien eingeschränkt werden. Man prüfe eine Mindestaufenthaltsdauer als Voraussetzung für die Antragsberechtigung, erklärte Wehsely.

Frist noch offen

Welche Frist ihr dabei vorschwebt, wollte sie nicht präzisieren. "Das werden wir jetzt prüfen." Gelten würde diese Auflage jedenfalls für alle Menschen, die aus anderen Bundesländern nach Wien ziehen, wie in ihrem Büro auf STANDARD-Anfrage erklärt wurde. Man würde also nicht zwischen In- und Ausländern unterscheiden.

Worin würde aber dann der Unterschied zu den ÖVP-Vorstellungen liegen? Die Bundes-ÖVP möchte, dass nur Menschen, die in den letzten sechs Jahren zumindest fünf Jahre in Österreich gelebt haben, den vollen Anspruch auf Mindestsicherung bekommen. Für alle anderen soll es nur 560 Euro monatlich geben. Zwar wird auch hier nicht zwischen In- und Ausländern unterschieden, de facto würde es aber natürlich vor allem die zuletzt nach Österreich gekommenen Flüchtlinge betreffen.

Linzer Flüchtling hätte keinen Anspruch mehr

Wehsely wiederum meint, dass alle Asylberechtigten auch den vollen Anspruch haben sollen – so wie bisher. Sollte es zu einem eigenständigen Wiener Modell kommen, würde dieses Recht aber eben nur mehr für jene gelten, die auch in Wien Asyl bekommen haben. Wer beispielsweise in Linz Asyl zugesprochen bekam, könnte nicht mehr nach Wien umziehen und dort die Sozialleistung beantragen.

Wehsely sieht ihre Überlegungen als Antwort auf die "perfide Strategie" von Teilen der ÖVP, wie sie sagt. Einerseits würden die Ansprüche in den ÖVP-regierten Ländern wie Ober- und Niederösterreich gesenkt, andererseits zeige man auf Wien, weil diese Menschen dann in die Bundeshauptstadt zögen. Das könne man nicht akzeptieren: "Wien wird nicht das wehrlose Opfer spielen", erklärte Wehselys Sprecherin den Kurswechsel.

"Notwehrmaßnahme"

Eine Mindestaufenthaltsdauer wäre ihr zufolge aber wirklich nur eine "Notwehrmaßnahme". Noch hoffe man auf eine gemeinsame Lösung mit den anderen Ländern. Diese müsste spätestens bis zum Jahresende gefunden werden, dann läuft nämlich der bestehende Bund-Länder-Vertrag zur Mindestsicherung aus. Gibt es keinen Konsens, müssten alle Länder eigenständige Regelungen beschließen.

Ob die Wiener Grünen, mit denen die SPÖ regiert, dem Plan zustimmen würden, ist offen. Sozialsprecherin Birgit Hebein wollte sich dazu nicht im Detail äußern. Man sei bereits in der "Rue de la Gack", beschreibt sie die festgefahrenen Verhandlungen. Daher brauche es keine weiteren medialen Vorschläge. Man werde sicher nicht "auf Kosten der Ärmste kürzen", klar sei aber auch, dass es einen "Plan B" brauche, sollten die Verhandlungen scheitern.

Keine Diskriminierung

Rechtlich dürfte es jedenfalls machbar sein, Menschen nach einem innerösterreichischen Umzug die Mindestsicherung vorerst nicht zu gewähren, sind sich die Verfassungsrechtler Theo Öhlinger und Bernd-Christian Funk einig. Wenn die Regelung auch für Österreicher gelte, was laut Wehsely der Fall wäre, könne keine unzulässige Diskriminierung vorliegen. Probleme könnte es laut Öhlinger höchstens dann geben, wenn es "zwingende Gründe" für einen Umzug gibt.

Nach massiver Kritik von Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) an der Verhandlungsstrategie der ÖVP kündigte Reinhold Mitterlehner am Donnerstag an, sich nicht weiter als Vermittler einbringen zu wollen. Die SPÖ werde nun direkt mit den Ländern verhandeln, kündigte der rote Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler an. Die Bundes-ÖVP möge dann aber auch das Ergebnis akzeptieren, forderte der Parteimanager. (go, 21.10.2016)