Chinas Präsident Xi Jinping will nach 2017 entscheidende KP-Führungspositionen mit Vertrauten besetzen. Dafür stellt er beim Sonderparteitag bereits die Weichen.

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Mauern und Baumreihen schützen Pekings geheimnisumwittertes "Jingxi Binguan" ("Gästehaus im Westen") vor unbefugten Einblicken. Der riesige Hotelkomplex am Changan-Boulevard wurde 1964 für Sondertreffen der Parteiführung erbaut. Er ist Pekings einziges Grandhotel mit Fünf-Sterne-Standard, das der Öffentlichkeit ganzjährig verschlossen bleibt. Es ist auch das einzige Hotel mit rotfarbenen Slogans auf der Fassade: "Es lebe die Volksrepublik!", "Es lebe die Kommunistische Partei!"

Ab Montag treffen sich im Jingxi Binguan rund 400 der mächtigsten KP-Funktionäre zu einem Sonderparteitag. Die Parteieliten werden vier Tage über die an Reformstau leidende chinesische Wirtschaft, vor allem aber über Korruption und Ideologie in der mit 90 Millionen Mitgliedern größten kommunistischen Partei der Welt beraten. Die Öffentlichkeit erfährt erst am 27. Oktober über ein Kommuniqué von der Klausur.

Großes Sesselrücken

Es ist die letzte Plenarsitzung des Zentralkomitees unter Leitung des 63-jährigen Parteichefs Xi Jinping vor seinem großen Sesselrücken auf dem 19. Wahlparteitag Ende 2017. Allein aus Altersgründen, weil sie über 68 Jahre sind, müssen dann fünf der sieben Mitglieder im Politbüroausschuss ausscheiden – und mit ihnen fast die Hälfte des 25-köpfigen Politbüros.

Eine "große Zahl" von Schlüsselpositionen im Zentralkomitee werde neu besetzt, sagt der Direktor des Berliner Merics-Chinazentrums, Sebastian Heilmann: "In den vergangenen sechs Monaten hat Xi mehr als ein Drittel der Parteisekretäre in den Provinzen ausgetauscht." Zudem lichteten sich die Reihen der Ende 2012 auf fünf Jahre Amtszeit gewählten 205 abstimmungsberechtigten ZK-Vollmitglieder und 171 Kandidaten. Zehn Vollmitglieder und 13 Kandidaten fielen inzwischen Xis Kampagne gegen Korruption zum Opfer – ein Rekord für Parteitage seit der Kulturrevolution.

Laut Tagesordnung soll das ZK-Plenum neue "Normen für das innerparteiliche Leben" setzen und ein vorläufiges "Regelwerk zur innerparteilichen Überwachung" verabschieden. Xi zieht die Zügel an. Im Juli hatte er nach strenger parteiinterner Überprüfung verlangt und ausdrücklich die höchsten Funktionäre miteinbezogen.

Rund 1000 Anklagen

Xis Kampagne gegen Korruption hat nach Berechnungen von Merics bisher zur parteiinternen Anklage von rund 1000 mittel- und hochrangigen Funktionären geführt, die derzeit fast täglich gerichtlich abgeurteilt werden. Der Hongkonger China-Experte Willy Lam vermutet, dass Xi auf dem Plenum eine Zwangsauskunftspflicht für alle ZK-Funktionäre durchsetzen will. Sie sollen ihre Vermögensverhältnisse und in- und ausländische Besitztümer – auch ihrer Familie – offenlegen müssen.

Absolute Kontrolle gehöre zu den Voraussetzungen dafür, dass Xi nach 2017 entscheidende KP-Führungspositionen mit Vertrauten besetzen kann. Lam erwartet daher noch keine Personalentscheidungen: "Sie werden erst im kleinen Kreis nächsten Juli und August auf den informellen Beidaihe-Sommerklausuren festgezurrt."

Chinas Führung wird in ihrem Kampf gegen Korruption und ihrer ideologischen Kampagne zur Parteidisziplinierung nicht nachlassen, ungeachtet allen passiven Widerstands, den Funktionäre durch Nichtstun leisten, oder aller Klagen über vernachlässigte Wirtschaftsreformen. Diese Botschaft erfuhr Chinas Öffentlichkeit indirekt aus dem Fernsehen. Allabendlich bis zum Beginn des Plenums strahlte der Staatssender CCTV hintereinander eine achtteilige aufwändige Dokumentation zur Rechtfertigung von Xis Feldzug gegen Korruption aus, mit Büßerauftritten der seit seinem Amtsantritt zu Fall gebrachten Top-Funktionäre.

Xi nutzte auch am Freitag das 80-jährige Jubiläum von Maos "Langem Marsch" , der Chinas Revolution auf den Weg zur Eroberung des Landes brachte. In einer langen Grundsatzrede beschwor er den Glauben an den Kommunismus und die Reideologisierung der Partei als dringende heutige Notwendigkeit. Parteischriften zitieren ihn: Er lasse sich nicht beirren, wenn es um die Machtfrage geht: "Was für eine Bedeutung können alle Erfolge, die wir erzielen, für uns haben, wenn unsere Partei dabei geschwächt wird, sich auflöst oder zusammenbricht?" (Johnny Erling aus Peking, 24.10.2016)