Fünfmetersiebzig. Davon etwa drei Meter endlose Motorhaube, die der Blick zärtlich entlangstreift. Dauert ein wenig, bis man dort anlangt, wo der Mensch seinen Platz fände. Nun ja, zwei Menschen hauptsächlich. 2+2-Sitzer und Coupé, sagen die Herrschaften, und man weiß ja, was das heißt. 1,33 Meter hebt sich der Flügeltürer vom Erdboden dem Weltall entgegen, dann ist auch schon Schluss. Hinten glaubt man des Meeres und der Liebe Wellen zu hören – mit einem Heck wie eine Luxusyacht, einem Boattail, schließen die Designer ihr prachtvolles Ästhetikexperiment ab, das sie sommers erstmals dem gleichermaßen vermögenden wie verzückten Publikum in Pebble Beach am Pazifikstrand vorgestellt haben und jetzt soeben noch einmal auf dem Pariser Salon. Maybach Vision 6. Coupétraum mit elitärem Schmelz.

Der Maybach Vision 6 ist ein Coupétraum der Sonderklasse und nicht für den Serieneinsatz gedacht.
Foto: Daimler

Der 2002 gestartete und 2012 beendete Versuch von Daimler, Maybach als Luxusmarke neben Rolls-Royce und Bentley zu etablieren, ist gründlich in die Hosen gegangen, die gepimpte S-Klasse hat zu keiner Zeit die hohen Erwartungen erfüllen können. Erschwerend war noch dazugekommen, dass die Luxusmarke 1941 ihren Betrieb hatte einstellen müssen – die nunmehr den Deutschen (BMW und VW) gehörenden beiden englischen Firmen hingegen nicht, sie waren durchgehend präsent.

Ohne Aussicht

Inzwischen ist Maybach in die Mercedes-Neuaufstellung integriert, firmiert als Mercedes-Maybach und ist dort zuständig für besonders nobles, vom Mercedes-Benz-Flaggschiff, der S-Klasse, abgeleitetes Gerät (Pullman etwa). Und auch wenn es heißt, der Vision 6 sei ausschließlich als Studie zu verstehen ohne geringste Aussicht auf Serienfertigung – wer weiß, womöglich sondieren die ehrgeizigen Stuttgarter das Gelände, ob nicht doch ein neuer Anlauf mit ganz eigenständigem Modellauftritt gangbar wäre.

Mit Studien, Showcars, verhält es sich so: Sie sollen Glanz auf den Salonstand zaubern und entweder einen ersten Vorgeschmack auf konkrete Serienfahrzeuge geben oder sind, wie bei Maybach, vornehmlich als Fingerübung in Sachen Schönheit zu verstehen, wobei sich eben das Coupé als ideale Projektionsfläche eignet. Das gilt auch für die beiden anderen Stars in Paris: Renault Trezor, Citroën CXperience.

Der Citroën CXperience ist natürlich auch nicht für den Serieneinsatz gedacht.
Foto: Citroën

Antriebstechnisch wollen alle dreie einen makellosen ökologischen Fingerabdruck hinterlassen: Unter der Moootooorhaube des Maybach verbirgt sich kein hubraummonströser 12-oder-mehr-Zylinder, sondern ein Elektroantrieb mit 750 PS und 500 km Reichweite. In Renaults 4,70-Meter-Studie versieht von der Formel E abgeleitete Technik ihren Dienst, das somit in mehrerlei Hinsicht elektrifizierende Coupé bringt es auf 350 PS und 300 km Reichweite. Und der 4,85 m lange CXperience weist darauf hin, dass man bei Citroën künftig auch mit Plug-in-Benzin-Hybrid rechnen kann – auf 300 PS Systemleistung kommt der Antrieb, wobei man von rund 60 km E-Reichweite (da treibt dann ein etwa 110 PS starker Elektromotor die Hinterräder an) ausgehen dürfe, wie es heißt.

Beide spektakulären Studien wollen einen Ausblick auf die künftige Designsprache geben, bei Renault ist das die zweite Stufe, die Chefdesigner Laurens van den Acker zünden wird. Wobei das eigenwillige Klappdach des Trezor weniger in die Serie finden wird als der extrem selbstbewusste, markante Riesenrhombus, die gefälligen organischen, runden Formen und die ausgewogene Proportionierung.

Der Renault Trezor – wer hätte es gedacht – ist nicht für den Serieneinsatz gedacht.
Foto: Renault

Sonnenklar auch die gestalterische Botschaft des CXperience – der, wie der Name schon zeigt, auf den legendären CX aus den 1970er-Jahren reflektiert (dementsprechend haben wir hier eher Fließheck als Coupé vor uns). Die traditionsreiche Marke, die über Dekaden hinweg einer avantgardistischen ästhetischen Grundhaltung gefrönt hat und damit in der Öffentlichkeit gefeiert wurde, auf der Absatzfront aber beinahe Schiffbruch erlitten hat, will künftig wieder deutlich nonkonformistischer werden. Sollen die anderen doch alle gleich aussehen. Wir Doppelwinkler nicht. (Andreas Stockinger, 1.11.2016)