Trio: The Complete Trio Collection (Rhino/Warner)

Foto: Rhino/Warner

Das Cover ist bereits ein Traum. Wie viel Haarspray für Dollys Helm verwendet wurde, verschweigt das Booklet natürlich, im Dunkel bleibt auch die Anzahl der Baumwollfelder, die abgeerntet werden mussten, um den Schulterpolsterbedarf der drei Damen zu decken. Es waren harte Zeiten, als sich Dolly Parton, Linda Ronstadt und Emmylou Harris zusammentaten, um unter der lapidaren Bezeichnung Trio ein Album aufzunehmen. Stefan Remmler und Co waren in Fuckme, Arkansas, natürlich kein Begriff. "Da Da Da, ich kenn dich nicht."

Im Zeitalter der Suchmaschinen ist es deshalb schwierig, dieses Trio ausfindig zu machen. Aber die Mühe lohnt sich, schließlich hat Rhino/Warner nun The Complete Trio Collection veröffentlicht, auf dem der gesamte Output dieser All-Sar-Combo zu hören ist. Die Optik gibt es gratis dazu: Miami Vice im Kuhstall. Das Monument Valley in Pastelltönen.

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Gsungen und gspüt haben die drei Damen schon in den 1970ern, aber erst in den 1980ern und geschätzte 15 Dolly-Parton-Updates später fanden sie sich zu einem gemeinsamen Termin unter der Trockenhaube zusammen, ein Album entstand.

Leider waren die 1980er-Jahre für viele die Musik der Vorhölle, wurden mit glattpolierten Produktionen letzte Spuren menschlicher Wärme ausgemerzt, Oberflächen statt Tiefgang gepflegt. Ein wenig fiel Trio dieser Mode ebenfalls zum Opfer. Aber sowohl die Songauswahl als auch die uneitle Aufteilung der Kompetenzen wehrte das Schlimmste ab. Klar tremolieren die drei Sirenen, bis die Bergkristallvasen in der Vitrine in den Freitod springen. Doch mithilfe von Kapazundern wie Ry Cooder oder David Lindley wussten die drei das Vehikel über weite Strecken am Boden zu halten.

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Vier Millionen Mal ging das titellose Album über die Budel, Nashville war hin und weg, und was so mancher Trucker in einsamen Nächten hinten in seiner Koje ... lassen wir das.

Ronstadt, Harris und Parton bezirzten mit Geständnissen und Gstanzln wie The Pain of Loving You, Hobo’s Meditation oder My Dear Companion. Das Goldstück des Debüts war jedoch To Know Him Is To Love Him der Superhit, den Phil Spector mit dem Wortlaut der Grabinschrift seines Vaters für die Teddy Bears geschrieben hatte. In der Trio-Version bricht jeder Kuh die Milch, jedem Buben das Herz. Erst Ende der 1990er fanden die drei wieder für ein Album zusammen, originell Trio II genannt, das mit Songs wie Neil Youngs After The Gold Rush die Gemeinde erfreute. Dass in dieser Konstellation keine Ideenarmut geherrscht hat, beweist die dritte CD, auf der Outtakes, Demos und Unveröffentlichtes versammelt sind. Das prächtige Waltz Across Texas, eine beschwipste Version von Mr Sandman und das Geständnis, auf das wir alle gewartet haben: Even Cowgirls Get The Blues. Bevor man sich Lady Gagas Ausflug ins Ländliche antut, möge man doch lieber hier zugreifen. (flu)

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Black Marble: It’s Immaterial (Ghostly International)

cover: Ghostly International

It’s a lot of psychic turmoil about time, place, and the dissatisfaction that comes with being young and not having control over place, or being old and not having control over time." (Chris Stewart)

Voriges Jahr ist das Raum-Zeit-Gefüge bei Chris Stewart im Rahmen eines Umzugs von Bushwick, New York, rüber an die Westküste etwas durcheinandergeraten. Immerhin sind seit dem Erscheinen des Debütalbums A Different Arrangement beinahe vier Jahre vergangen. Zum Glück aber sind dem Musiker hinter dem Projekt Black Marble in dieser Zeit seine MP3-Dateien als emotionaler Rettungsanker geblieben.

Chris Stewart selbst nennt vor allem unbekanntere "Synth Wave"-Bands aus den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren als Quellen der Inspiration: Silicon Teens, Iron Curtain, Lives of Angels oder Solid Space.

Der dünne und gleichzeitig verhatschte, zumindest in der ursprünglichen Entstehungszeit aufgrund einer Kom bination von technischer Machbarkeit beziehungsweise Überforderung, finanziellen Engpässen, billigen Tonstudios und beherztem Dillettantismus entstandene Sound wird zwar heute großteils mit dem Klappcomputer nachgestellt. Wenn dann allerdings diverse Gast musiker einspringen, um auf dem neuen, It’s Immaterial betitelten Album von Black Marble für einen originalgetreuen Bandsound aus der damaligen Zeit zu sorgen, werden weitere entscheidende Einflüsse überdeutlich. In aktuellen Rezensionen werden nicht nur Robert Palmer in seiner großen Schulterpolster-Zeit mit Looking for Clues oder Johnny and Mary genannt. Auch der weltumarmende Heulbojen-, Selbstergriffenheits- und Kitschgroßmeisterpop des britischen Duos Orchestral Manoeuvres in the Dark in seiner Anfangszeit lässt grüßen.

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Jetzt schwenken auch manchmal die Gitarren ihre Trauerfahnen auf Halbmast. Mollige Gefühle und britischer Herbstnebel ziehen auf. Robert Smith, unser kugelförmiger Lieblings-Goth mit der Edward-mit-den-Scherenhän den-Frisur (oder war es um gekehrt?) taucht auf. Wir hören Songs von The Cure, zirka aus ihrer Faith- und Pornography-Phase.

Im Gegensatz zu Robert Smith ist es Chris Stewart zwar nicht gegeben, so wunderbar von der Welt angeekelt zu knödeln, während man gellend ins Mikrofon jammert. Die in englischem Moorwasser vor- und im Dauerregen hauptgewa schenen Lieder mögen auch im Vergleich zum Original mit weniger, nun ja: merkbaren Melodien ausgestattet sein. Unter der Beifügung von einigen dann ein paar Jahre später in den 1980er-Jahren auftauchenden verhallten Shoegaze-Gitarrenbreitwänden ist aber Stewart mit Black Marble und It’s Im material eine wunderbare Herbstplatte gelungen, die einen sehr berührt, wenn man sie zum Beispiel während eines Spaziergangs hört, während die Blätter fallen. (schach, Rondo, 28.10.2016)