Wer als Laie die Verpackungsbeilage eines Medikaments durchliest, muss geeicht sein, vor allem bei der Auflistung sämtlicher Nebenwirkungen. Sie persönlich zu nehmen, wäre falsch.

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EbM-Experte Gerald Gartlehner nimmt für derStandard.at regelmäßig aktuelle Studien unter die Lupe.

Mehr als die Hälfte der Menschen in Österreich tut sich schwer damit, im Alltag gute Entscheidungen zu ihrer Gesundheit zu treffen – deutlich mehr als Einwohner anderer europäischer Länder. Das zeigt eine große, wissenschaftlich begleitete Befragung. Beispielsweise verstehen 22 Prozent der Österreicher kaum, was ihnen ihre Hausärztin oder ein Facharzt sagt. 30 Prozent finden den Inhalt auf Beipackzetteln von Medikamenten schwer verständlich. 19 Prozent wissen nicht, wo sie Unterstützung bei ungesundem Verhalten wie Rauchen, wenig Bewegung oder zu hohem Alkoholkonsum finden. Ganze 59 Prozent haben große Schwierigkeiten zu beurteilen, ob Informationen über eine Krankheit in den Medien vertrauenswürdig sind.

Vermehrt betrifft dies ältere Menschen, solche mit niedrigem Einkommen oder geringem Bildungsniveau. Das bleibt nicht ohne Folgen: wen Informationen zum Thema Gesundheit überfordern, der folgt ärztlichen Empfehlungen seltener, wird häufiger krank und liegt auch öfter im Spital.

Verständlichkeit als Schlüssel

Doch was ist schuld daran? Die fehlende Verständlichkeit medizinischer Informationen ist eine wichtige Ursache – wenn auch nicht die einzige. Spitalsärztinnen und niedergelassene Mediziner, die ihren Patienten mit bloß einem Ohr zuhören und Fragen mit Fach-Kauderwelsch beantworten, sind ein Teil des Problems.

Auch schriftliche Informationen wie Medikamenten-Beipackzettel oder Infoblätter von Krankenhäusern, Krankenkassen oder anderen Einrichtungen sorgen häufig für mehr Verwirrung als Aufklärung. Daher gilt: Informationen für Patienten müssen so klar und einfach verständlich wie möglich sein – gleichzeitig müssen sie aber auch Fakten und Unsicherheiten objektiv wiedergeben.

Saubere Information

Viele Broschüren, die im Wartezimmer aufliegen, mögen zwar verständlich geschrieben sein, beinhalten dafür aber oft irreführende Informationen. Wer sich im Internet schlau machen will, läuft erst recht Gefahr, auf verzerrte Informationen zu stoßen. Infoangebote wie beispielsweise Froh-am-Klo.at zu Darmbeschwerden oder SkinToLiveIn.at zu Hautproblemen sind zwar leicht verständlich und mögen seriös wirken, beide Webseiten gehören jedoch Pharmaunternehmen. Objektive, "saubere" Informationen sucht man hier vergeblich.

Verlässliche Gesundheitsinformationen enthalten nur wissenschaftlich überprüfte Fakten – oder weisen darauf hin, wenn etwas erst ungenügend erforscht ist. Sie klären objektiv darüber auf, was hinter einer Krankheit steckt, welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt, und vor allem: welche Vor- und Nachteile etwa unterschiedliche Früherkennungsmöglichkeiten oder Therapien (oder ein Verzicht darauf) mit sich bringen.

Noch viel zu tun

Die österreichische Politik hat diese Probleme zwar erkannt, im Jahr 2012 als eines von zehn Gesundheitszielen definiert und in Folge eine Plattform gegründet, die die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung stärken soll – noch ist aber viel zu tun.

Im Rahmen des deutschsprachigen Netzwerks Evidenzbasierter Medizin hat ein Team aus Wissenschaftlern, Journalistinnen, Patientenvertretern und Ärztinnen gemeinsam eine Anleitung zu einer "Guten Praxis für Gesundheitsinformationen" entworfen und im Juli in einer aktualisierten Version veröffentlicht.

Gesundheitsinformationen sollen demnach nicht nur auf wissenschaftlich geprüften Fakten basieren, diese müssen auch durch Quellenangaben transparent nachvollziehbar sein. Weiters sollen die Texte nicht nur leicht verständlich sein, auch Unsicherheiten müssen angemessen dargestellt werden.

Statt bloß die Auswirkung einer Behandlung auf Messwerte wie Blutdruck oder Cholesterinspiegel zu beschreiben, sollen immer relevante Auswirkungen etwa auf das Sterberisiko oder die Wahrscheinlichkeit für eine Krankheit genannt werden. Letztendlich muss klar offen gelegt werden, wer die Verfasser der Gesundheitsinformation sind, und wer sie finanziert. Jetzt geht es darum, diese und ähnliche Empfehlungen auch in Österreich umzusetzen.

Vorreiter Niederlande

Die Niederlande etwa sind hier schon deutlich weiter. Patientengruppen haben dort seit langem ein hohes Ansehen und setzen sich beispielsweise in Krankenhäusern für verständlichere Kommunikation zwischen Ärztin und Patient ein. Trainer, Dolmetscher und Kulturvermittler versuchen, Gesundheitsthemen auch Migranten und sozial benachteiligten Menschen näher zu bringen. Mit Hilfe von Kommunikationsexperten haben Krankenhäuser, Pflegedienste und Krankenversicherungen ihre Gesundheitsinformationen im Internet, Broschüren, Infozetteln und sogar auf Schildern an Gebäuden überarbeitet.

All diese Maßnahmen zahlen sich aus: unter acht europäischen Ländern (inklusive Österreich) haben in den Niederlanden die wenigsten Menschen Probleme, gesundheitsrelevante Informationen zu verstehen. Während in Österreich 18 Prozent der Bevölkerung schwerwiegende Probleme damit haben, kompetente Entscheidungen zu ihrer Gesundheit zu treffen, sind es in den Niederlanden bloß zwei Prozent. (Gerald Gartlehner, 28.10.2016)