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Einzige Bezugsperson der Kinder sein, jahrelang stillen, in Bio-Qualität kochen, fit sein, beruflich erfolgreich. Das alles sollen heutzutage Kleinfamilien, also vor allem Mütter, alleine schaffen. Es ist nicht machbar.

Foto: reuters/toru hanai

"Ich habe uns für sehr modern und gleichberechtigt gehalten.", sagt Maria* und schildert, wie nach der Geburt des ersten Kindes "alles ein wenig anders" wurde. Maria hatte davor einen gut bezahlten Job im Eventmanagement gehabt, mit vielen Überstunden, wie es in der Branche üblich ist. Ihr Ehemann verdiente unwesentlich mehr, hatte und hat aber in leitender Postion ebenfalls unregelmäßige Arbeitszeiten. Dass sie im ersten Jahr zu Hause bleiben würde, "stand nicht zur Debatte", sagt Maria. Als ihr Mann in der Chefetage vorsichtig anklopfte, ob er zwei Monate in Karenz gehen kann, war die Reaktion so ablehnend, dass er nicht weiter nachfragte.

Nach einem Jahr zu Hause wollte Maria wieder Vollzeit arbeiten, aber die einzige Krippengruppe, die in einem gutbürgerlichen Wiener Bezirk Platz hatte, schloss bereits um 15 Uhr. "Dass ich den gleichen Job nicht in Teilzeit erledigen kann, war sowohl mir als auch meinem Chef klar", sagt Maria Also habe sie ein Jahr lang eine Teilzeitstelle in der PR-Branche gesucht. Fündig wurde sie nicht. In der Zwischenzeit wurde das zweite Kind geboren, beide – zwei und vier Jahre alt – sind jetzt im Kindergarten, M. arbeitet 25 Stunden pro Woche und verdient ein Drittel von dem, was sie "mit Überstunden vor den Kindern hatte". Das sei sehr bitter, denn das Geld könnte die Familie gut gebrauchen, sagt Maria. Außerdem erledige sie den Großteil der Kinderbetreuung und Haushaltsarbeit und sei bestimmt genauso viele Stunden wie ihr Vollzeit arbeitender Mann "auf Achse".

Keine Gleichstellung

Dass die Gleichstellung von Männern und Frauen noch nicht erreicht ist, ist eine Binsenweisheit. Auch in Westeuropa nicht, und in Österreich sowieso. Spätestens wenn Paare Eltern werden, zeigt sich auch in der Gruppe der hochgebildeten Gutverdiener, dass das Rollenbild hierzulande noch sehr traditionsbehaftet ist und Frauen diejenigen sind, die Abstriche machen müssen.

Für Mütter sieht es nämlich bei Einkommen und Chancengleichheit noch eine Spur schlechter aus als für kinderlose Frauen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist in Österreich ähnlich wie in Deutschland und mehreren weiteren mitteleuropäischen Staaten weiterhin eine Herausforderung, der sich die Frauen fast ausschließlich alleine stellen müssen. Elternschaft hat großen Einfluss auf ihre Karrieren, Einkommen und Lebensplanung, auf die der Väter kaum.

Lange Karenzen

Im europäischen Vergleich unterbrechen Mütter in Österreich für eine relativ lange Zeit die Erwerbsarbeit. Lediglich 32 Prozent der Mütter mit Kindern zwischen null und zwei Jahren sind berufstätig. Die Väterbeteiligung an der Betreuung der Jüngsten ist ebenfalls gering: Derzeit bleiben rund 18 Prozent der Väter zumindest zwei Monate beim Kind zu Hause. Beim Modell des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgelds, das vor allem Besserverdienenden zugutekommt, sind es immerhin rund 28 Prozent der Väter, die sich zeitweise um den Nachwuchs kümmern.

Nach dem sogenannten Wiedereinstieg arbeiten Mütter meist nur stundenweise: Teilzeitarbeit wird zur Normalarbeitszeit österreichischer Mütter. Die Teilzeitquote von Frauen lag laut Statistik Austria 2015 bei 47,4 Prozent. Als Grund für die Teilzeitarbeit geben Frauen zwischen 30 und 45 Jahren vorwiegend Betreuungspflichten an.

Weniger Einkommen und Altersarmut

Lange Unterbrechungen der Erwerbsarbeit und Teilzeitarbeit wirken sich aufs Einkommen und die Höhe der Pension aus. Kommt es zur Trennung oder Scheidung – kein unwahrscheinliches Szenario angesichts von 41 Scheidungen pro 100 Hochzeiten – drohen der Alleinerzieherin prekäre finanzielle Verhältnisse und Altersarmut. Das sind die bitteren Konsequenzen der Elternschaft, mit denen meistens Mütter und selten auch Väter rechnen müssen.

Schuld daran sind ein verstaubtes Geschlechter- und Frauenbild sowie die verfehlte Bildungs- und Familienpolitik der letzten Jahrzehnte.

Politische Ziele längst nicht erreicht

In Österreich gibt es bei weitem nicht ausreichend Ganztagsbetreuungsangebote für Null- bis Vierjährige. Mehr als ein Viertel der Kindergärten sperrt vor 14 Uhr zu, und weit weniger als einem Drittel aller Kinder in Österreich steht ein Krippenplatz zur Verfügung. Das sogenannte Barcelona-Ziel liegt für die Null- bis Dreijährigen bei 33 Prozent, Österreich hätte es schon 2010 erreichen sollen. Diese vom Europäische Rat im Jahr 2002 festgelegten Ziele sollen "Hemmnisse beseitigen, die Frauen an einer Beteiligung am Erwerbsleben abhalten".

Vollzeit arbeitende Eltern stehen in Österreich – vor allem wenn sie außerhalb Wiens wohnen – oft buchstäblich vor verschlossenen Türen. Es gibt noch immer zu wenige Krippen- und Kindergartenplätze, die mit Vollbeschäftigung vereinbar sind. Nach den neuesten Erhebungen des Familienministeriums war Oberösterreich Bundesländer-Schlusslicht bei den Öffnungszeiten. Im vergangenen Kindergartenjahr hatten dort nur 26,3 Prozent aller Einrichtungen mehr als neun Stunden am Tag offen.

Wieso Oberösterreicherinnen zu Hause bleiben

Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) lieferte auch prompt seine persönliche Erklärung für den Mangel an flächendeckender Kinderbetreuung: Der letzte Platz im Ranking der Langzeitöffnung zeige, dass den Oberösterreichern die Kinderbetreuung so wichtig sei, dass sie selber gern die Aufgabe übernehmen und nicht nur in staatliche Hände legen. Richtigerweise hätte Pühringer "Oberösterreicherinnen" sagen müssen, denn mehrheitlich sind es Frauen, die keine Vollzeitstellen annehmen oder überhaupt berufstätig sein können, wenn kein Kindergartenplatz zur Verfügung steht.

Pühringers Aussage bekräftigt den Verdacht, dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf in einigen Bundesländern keine politische Priorität ist: Das Burgenland, Oberösterreich und Tirol nahmen im Jahr 2015 gar keine Fördermittel des Bundes in Anspruch, um den Ausbau von Betreuungsplätzen zu finanzieren, die eine Vollzeitbeschäftigung beider Elternteile ermöglichen.

Konservatives Frauenbild

In den Bundesländer gibt es also noch einiges zu tun, bis die bescheidenen Barcelona-Ziele erreicht sind. Dazu braucht es politischen Willen und ein Umdenken in der Landes- und Lokalpolitik. Ein großes Hindernis ist dabei das konservative Frauen- und Mütterbild. Im Unterschied zu den Vorzeigeländern Schweden und Frankreich, die gerne angeführt werden, wenn um Gleichstellung und ein fortschrittliches Frauen- und Familienbild geht, hatte Österreich aufgrund von Weltkriegen und dem nationalsozialistischen Regime keine kontinuierliche Gesellschaftspolitik, die Frauenerwerbstätigkeit gefördert hätte.

Dazu kommt das stark vom Katholizismus geprägte Frauenbild, das für die Frau nur die Mutterrolle vorsieht. Im ebenfalls katholischen Frankreich hat der Laizismus dieses katholische Bild verdrängt. Zu diesem Befund kommt eine Untersuchung des Instituts für Familienforschung der Uni Wien, die der Familienpolitik deshalb den Ausbau von qualitätvoller Kinderbetreuung und eine explizite Gleichstellungspolitik empfiehlt.

Während sich in Schweden und Frankreich die Folgen der Gleichstellungspolitik deutlich an der hohen Rate der Frauenerwerbsarbeit und der sogenannten Karenzväter zeigen, haben in Österreich große Teile der Bevölkerung konservative Ansichten darüber, wie Frauen und Mütter zu sein haben – nämlich nicht berufstätig. Laut dem internationalen Generations and Gender Survey stimmen 42 Prozent der unter 45-jährigen Österreicher der Aussage zu, "dass ein Vorschulkind leidet, wenn seine Mutter arbeitet". Im Vergleich dazu haben in Norwegen lediglich 11 der Befragten ein Problem mit berufstätigen Müttern, im Osten Deutschlands 19 Prozent.

Männliche Identität

Natürlich gibt es wiederum – vor allem in den urbanen Teilen des Landes – auch andere Frauenbilder und Jungfamilien, die Elternschaft gleichberechtigter leben, als es das konservative Familienmodell es vorsieht. Doch auch hier sind Karenzväter zwar im Stadtbild immer präsenter, aber alles andere als selbstverständlich. Die sogenannten neuen Väter stoßen zwar auf viel Zuspruch, doch ihre gelebte Vaterschaft wird lediglich als Beitrag beziehungsweise freiwillige Hilfe für die Mütter wahrgenommen. Die aktiv gelebte Vaterschaft ist noch lange kein konstituierender Teil der männlichen Identität.

Mutterschaft neu

Während sich das traditionelle Bild des Vaters langsam ändert, aber großteils noch immer aus guten Vorsätzen besteht, ändert sich auch das Selbstverständnis der gut ausgebildeten Jungmütter. Befeuert vom allgemeinen Trend zur Selbstdarstellung entstehen immer mehr Blogs und Instagram-Accounts, die #momlife feiern und den Eindruck erwecken, als könnte und müsste die moderne Mutter alles haben und alles sein: einzige Bezugsperson der Kinder, jahrelang stillen, in Bio-Qualität kochen, fit sein, beruflich erfolgreich (sei es durch Bloggen oder eine verwandte Tätigkeit), und dabei immer lässig-fotogen ausschauen.

Doch diesem Anspruch kann sie nicht genügen, denn noch nie waren Kleinfamilien und dabei vor allem die Mütter den Belastungen der Elternschaft in so starkem Ausmaß alleine ausgesetzt wie heute. Das sprichwörtliche Dorf, das man braucht, um ein Kind zu erziehen, gibt es heutzutage nicht einmal mehr im Dorf selbst. Das Leben findet nur in Ausnahmen im Großfamilienverband statt, die Großeltern sind oft hunderte Kilometer entfernt oder selbst noch beruflich aktiv. Um Elternschaft und Familie miteinander zu vereinbaren, sind die Paare fast ausnahmslos aufeinander und auf die politischen Rahmenbedingungen und die entsprechende Familienpolitik angewiesen.

Damit sich für Mütter die Spirale aus Lohnschere, Teilzeitarbeit und Armutsrisiko im Alter nicht weiterdreht, braucht Österreich zeitgemäße Familienpolitik, die auf Chancengleichheit für Frauen setzt. Auch und gerade für Mütter. (Olivera Stajić, 6.11.2016)