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Plakate von Staatspräsident und KP-Chef Xi Jinping, der nun zum "Kern" des Führungskollektivs aufgestiegen ist, in Schanghai.

Foto: REUTERS/Aly Song

30 Minuten lang lasen die Sprecher der Hauptnachrichten im chinesischen Staatssender CCTV den Beschluss des viertägigen Sonderparteitags vor. Im letzten Satz versteckte sich die eigentliche Botschaft: Alle Parteimitglieder müssten sich "eng um das Zentralkomitee vereinen, mit Genosse Xi Jinping als dessen Kern". Noch in der Nacht auf Freitag kamen die ersten Loyalitätsschwüre für den "Kern" von den Parteigremien aus Schanghai. Am Freitag fachte das Meinungsblatt "Global Times" den Personenkult um Xi weiter an. Es titelte: "Der Kern Xi (Xi Hexin) ist längst im Herzen der Menschen und in aller Munde."

Der neu verliehene Status verschafft dem Parteivorsitzenden, der Staats- und Militärchef in einer Person ist, noch mehr Macht. Bei den Neubesetzungen in der Führung für seine zweite Amtszeit bis 2022 hat er nun das letzte Wort. Auf dem Wahlparteitag Ende 2017 müssen aus Altersgründen fünf der sieben Mitglieder der höchsten inneren Führung und knapp die Hälfte des Politbüros ausscheiden.

Der Begriff "Kern" findet sich nicht im Parteistatut. Chinas "starker Mann" Deng Xiaoping hat ihn mitten in der Krise seiner Partei nach der blutigen Niederschlagung der Tiananmen-Demokratiebewegung am 4. Juni 1989 geprägt. Zwölf Tage später rief Deng die Parteispitze zusammen, darunter den von ihm als neuen Parteichef eingesetzten Jiang Zemin. Nach Angaben der parteiamtlichen Biografie Dengs sagte er: "Jedes neue Führungskollektiv braucht einen Kern, um sich zu behaupten. In Chinas erstem Kollektiv war es Vorsitzender Mao. Im zweiten bin ich es. Im dritten Kollektiv muss Jiang Zemin der Kern sein." Xi rückt nun zum vierten Kern, dem neuen "starken Mann" Chinas, auf.

Mehrheit für den Kern

Aus der Mitte des ZK-Plenum sei der Vorschlag gekommen, hieß es am Freitag von Parteisprechern. Dabei wurde schon seit langem für eine Konzentration der Macht in den Händen von Xi geworben. Die Parteizeitschrift "Tribüne" ("Renmin Luntan") ließ 15.596 Parteimitglieder von April bis September befragen. Sie wollte wissen, ob es für Chinas globalen Aufstieg, die Verteidigung seiner Souveränität und Sicherheit, und um Entscheidungen zu Reformen und einer Öffnung mit Autorität zu treffen, wichtig ist, einen "Kern" im Führungskollektiv zu haben. 96,5 Prozent bejahten das.

Xi verstärkte seine Macht über die Partei auch durch zwei Vorschriftenkataloge zur Neuordung des "politischen Lebens innerhalb der Partei" und zur Revision der parteiinternen Kontrolle und dem Kampf gegen die Korruption. Neben stärkerer Kontrolle über die inzwischen mehr als 90 Millionen Parteimitglieder ist es auch eine Botschaft nach außen, dass die Partei niemandem Rechenschaft schuldig ist. Sie überwacht sich selbst und wird selbst mit Problemen wie Korruption fertig. Nach innen wird die Parteidemokratie weiter eingeschränkt. "Es ist verboten, Entscheidungen der Parteiorganisationen nicht zu gehorchen." Im Kommuniqué steht, dass die Verhaltensregeln der Partei auch und gerade für höchste Funktionäre vom ZK bis zum Politbüro und dessen Ausschuss gelten. Das liest sich wie eine Warnung Xis an potenzielle Kontrahenten, ihm loyal zu folgen.

Neue Töne in der Partei

Die Runderneuerung der Partei sei eine "dringende Aufgabe", kommentierte die Nachrichtenagentur Xinhua. Nur so könne sie "einen Sturm an Herausforderungen bewältigen, die ihren Herrschaftstatus, Reformen und Öffnung, Marktwirtschaft und die äußere Lage betreffen. Sie muss mit Gefahren fertig werden, die das Boot kippen lassen könnten."

In der Kommunistischen Partei herrschen schon neue Töne. In Ningbo dürfen KP-Mitglieder sich und ihre Vorgesetzten nicht mehr "Kumpel" oder "Chef und Boss" nennen. Sie müssen wieder "Genossen" sagen. Die KP sei kein "privater Verein". Das Verbot steht unter den 68 Punkten einer "Negativliste", die die Parteiführung in der ostchinesischen Großstadt aufgestellt hat. Sie regelt, was 510.000 Parteimitglieder und Funktionäre nicht mehr sagen dürfen. Zweifel am wieder propagierten kommunistischen Ideal zu hegen ist schon ein Vergehen.

Ningbo ist das Vorbild für das Land, schrieb die am Freitag erschienene Zeitschrift "Vista" einen Tag nach Ende des ZK-Plenums. Dessen Ziel: Alle KP-Mitglieder sollen sich vor der zentralen Parteiführung und ihrem neuen Kern in "Reih und Glied" formieren. (Johnny Erling aus Peking, 28.10.2016)