Schnitzel normal gibt es bei Cristina und Alexander Lintner eh auch – richtig toll aber ist jenes von der Rehkeule.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Schnitzel aus der Rehkeule, mustergültig paniert, hauchzart und abermals in extremer Portionsgröße.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Den Preis für die stimmungsvollste Gastwirtschaft von Krems und Umgebung wird das Gasthaus Walzer in Gneixendorf eher nicht gewinnen, dafür haben extensive Renovierungen der Gasträume in den 1980er-Jahren gesorgt. Aber man kann hier seit ein paar Monaten wirklich gut essen. Und zwar ernsthaft: Dem Vergleich mit dem nahen und noblen Gasthof des Weinguts Nigl in Senftenberg etwa hält die Küche im Walzer geradezu locker stand, bei den Weinen hingegen ist noch deutlich Luft nach oben. Das mag auch daran liegen, dass die maßgebliche Klientel im Walzer halt Leute aus dem Dorf sind, die hier seit Jahren einkehren und ganz eigene Maßstäbe ans Achtel an der Schank stellen.

Cristina und Alexander Lintner heißen die neuen Pächter, die den alteingesessenen Wirt von Familie Walzer im Frühjahr übernommen haben. Dass die legendären sonntäglichen Rindsrouladen der Frau Walzer seitdem nicht mehr routinemäßig zu haben sind, hat die Dorfleute anfangs angeblich gar nicht freundlich gestimmt. Dass der Schweinsbraten aus dem Holzofen, den Lintner stattdessen auf die Sonntagskarte gehoben hat, ganz außerordentlich gut ist, hat auf die Dauer aber geholfen. Und dass es die Hopfenperle vom Fass weiterhin gibt, ein herausragendes Bier, das vom Großkonzern, zu dem auch Schwechater längst gehört, aus rätselhaften Gründen unter den Scheffel gestellt wird. Im Walzer wird es seit 70 Jahren ununterbrochen gezapft.

Alexander Lintner stammt aus der Nachbargemeinde Lengenfeld und war die vergangenen Jahre in Wien zugange, erkochte etwa im Freiwild in der Mühlgasse mit bemerkenswerter Wildküche eine Haube. Er ist selbst Jäger, im Walzer macht er damit unbekümmert weiter – wenn auch auf eine Art, die dem traditionsbewussten Publikum hier entsprechend entgegenkommt.

Mit einer legierten Wildsuppe vom Damhirsch etwa, die auf extrem mollige, feine und doch reichhaltige Art zeigt, wie vielfältig sich das hierorts immer noch geringgeschätzte Wild einsetzen lässt. Oder mit hausgemachtem Leberkäse vom Wildschwein, der nicht so flauschig und zart interpretiert wird, wie man das von den diesbezüglichen Spezialisten jenseits der Enns kennt – eher die derbe Waldviertler Variante (die in Wien bekanntlich geschätzt wird), kraftvoll und sauber im Geschmack, mit selbstgemachtem Senf und karamellisierten Zwiebeln.

Rostbraten, begraben

Blunze macht ein Heurigenwirt aus dem Nachbarort selbst, in unheimlich cremiger, fein gewürzter Art. Lintner bäckt sie knusprig heraus und kombiniert sie mit Salat, verdammt gut. Aber halt so mächtig als Vorspeisenportion, dass man sie sich am besten auf zwei Tellern anrichten lässt. Danach empfiehlt sich der Zwiebelrostbraten, butterweich gedünstet, mit prachtvollem Saft und unter einem Berg selbstfrittierter, zuckersüßer Zwiebeln begraben. Oder Schnitzel aus der Rehkeule (siehe Bild), mustergültig paniert, hauchzart und abermals in extremer Portionsgröße. Der Erdäpfelsalat dazu ist ganz klassisch und nicht anders als grandios.

Aber Lintner weiß auch ohne Fleisch wirklich gut zu kochen. Der Risotto mit Steinpilzen etwa, von tadellos kerniger, cremiger Art, mit wunderbar konzentriertem Steinpilzaroma, das so wohl nur mit großzügigem Einsatz von Trockenpilzen zu erklären ist. Dass es dazu Blattsalat mit Rahmdressing gibt, kann zwar keineswegs als klassisch gelten – wenn er so rund und beschwingt gelingt wie hier, darf aber auch das sein. Danach wird man zwar kaum noch Platz haben, der Apfelstrudel, ein echtes Prachtexemplar seiner Art, sollte aber zumindest verkostet werden. (Severin Corti, RONDO, 4.11.2016)