Wien – Der Plan, den Strafrechtsparagrafen gegen Täuschung (Paragraf 108 StGB) zu verschärfen, wurde erstmals ruchbar, als Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) am 8. Oktober 2016 seine neuerlichen Ausländerrechtsänderungsvorschläge vorstellte. Ein Teil davon: Legt ein Asylwerber den österreichischen Behörden gefälschte Dokumente vor, soll er nicht wie bisher bloß eine Verwaltungsstrafe riskieren, sondern er solle vor ein Strafgericht gestellt werden. Denn – so Sobotka – "Behördentäuschung ist kein Kavaliersdelikt".

Elf Tage später, am 19. Oktober, legte man im Justizministerium nach. Die "absichtliche Täuschung von Behörden" solle zukünftig strafrechtlich verfolgt werden, "wenn diese auf Erschleichen einer Rechtsposition ausgerichtet ist", sagte Christian Pilnacek, Leiter der ministeriellen Strafrechtssektion. Denn, so Pilnacek, "das Papierln von Behörden darf nicht folgenlos bleiben".

Derzeit bis zu einem Jahr Haft

Konkret soll dem bestehenden Paragrafen ein neuer Paragraf namens 108a StGB gegen "Täuschung von Behörden" beigefügt werden. Bei Verstößen gegen Paragraf 108 StGB drohen derzeit ein Jahr Haft oder bis zu 720 Tagessätze Geldstrafe. Die Täter sind aber nur nach Ermächtigung durch Geschädigte zu verfolgen.

Als "Rechtsposition", wie Pilnacek sagte, gilt zum Beispiel ein positiver Asylbescheid, aber etwa auch eine gewerberechtliche Konzession. Somit erscheint klar, dass die Verschärfungspläne über den Asylbereich hinausgehen – zumal auch dieses Gesetz wie jedes andere für alle Menschen in Österreich gleichermaßen gelten wird.

Genau dies ruft Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser in Erinnerung, um das Drehen an der Strafrechtsschraube zu kritisieren: "Jedes Augenmaß und jede rechtliche Vernunft gehen verloren." Es habe mit Forderungen nach mehr Härte gegen Flüchtlinge begonnen und solle mit mehr Strafandrohung für alle enden. Welche Folgen so eine Strafbestimmung habe, werde "nicht überlegt", sagt er im Gespräch mit dem STANDARD.

Vor 30 Jahren abgeschafft

Auch sei man im konkreten Fall drauf und dran, einen Fehler zu erneuern, den man vor fast dreißig Jahren korrigiert habe: Bis Ende 1987 sei die Täuschung von Behörden strafrechtlich geahndet worden – mit überschießenden Folgen. Strafrechtlich belangt (und mit Vorstrafen versehen) seien damals zum Beispiel "Jugendliche worden, die ein Moped auffrisiert hatten: Täuschung über die Hubraumgröße". Oder Personen, die "im Verfahren für die Genehmigung einer Betriebsanlage, etwa eines Restaurants, falsche Angaben machten". Menschen also, die – so Steinhauser – "keine Kavaliersdelikte" begangen hätten. Die aber derzeit "mit gutem Grund" nicht von Strafrichtern, sondern von Verwaltungsbehörden geahndet würden.

Seit 1988 werden Täuschungen, um hoheitliche – also von Behörden verliehene – Rechte zu erlangen, nicht mehr strafrechtlich verfolgt. So solle es auch bleiben, meint Steinhauser – und fordert Brandstetter auf, von der Verschärfung des Täuschungsparagrafen abzusehen.

Strafrechtssektionsleiter Pilnacek: Der neue Straftatbestand sei nötig. Aber er kalmiert: Mopedauffrisierer und Restaurantkonzessionserschleicher hätten wenig zu befürchten. Denn: "Die Bestimmung wird sehr auf die widerrechtliche Erlangung subjektiver Rechte abzielen".

Außerdem gebe es seit 2000 in leichten und mittelschweren Fällen auch das Mittel der Diversion: Statt einer Verurteilung werden Geldbußen, Probezeiten oder gemeinnützige Leistungen verlangt. Der Vorteil: Man ist nicht vorbestraft, der Strafregisterauszug bleibt leer. (Irene Brickner, 2.11.2016)