Wien – Der Österreicher Gerald Knaus, Architekt des Türkei-EU-Abkommens, warnt in der "Presse" vom Donnerstag vor einem Rückstau der Asylverfahren auf den griechischen Inseln und vor einer neuen Fluchtwelle übers Meer. Die Anstrengungen der EU seien bisher ungenügend, kritisierte der Chef der Denkfabrik Europäische Stabilitätsinitiative (ESI). Zwar sei die Zahl der auf den griechischen Inseln Ankommenden von täglich 1.400 Anfang März auf etwa 100 gesunken. "Dennoch herrscht ein extremer Rückstau bei Asylverfahren auf den Inseln. Tatsächlich haben viele Asylwerber bisher noch keinen Asylmitarbeiter zu Gesicht bekommen. Das führt zu wachsenden Spannungen, wie jüngst im Lager Moria auf Lesbos, bei Flüchtlingen und bei Inselbewohnern", so Knaus.

Die Versprechen der EU-Länder, genug Asylmitarbeiter auf die Inseln zu schicken, seien nicht eingelöst worden, sagt Knaus. Wenn offensichtlich werde, "dass jeder über kurz oder lang aufs Festland gebracht wird, könnte das leicht dazu führen, dass sich wieder mehr Menschen in Boote setzen. Die Schlepper sind ja noch dort. Und vom griechischen Festland ist es weiterhin möglich, nach Mitteleuropa zu kommen. Selbst wenn man versucht, die griechisch-mazedonische Grenze dicht zu machen, finden Schlepper einen Weg."

Zur Drohung der Türkei, den Pakt platzen zu lassen, wenn die EU nicht bald die Visaliberalisierung durchführt werde, meinte Knaus: "Die Türkei muss gar nichts platzen lassen. Es genügt, wenn sie das Rücknahmeabkommen mit Athen so umsetzt wie in den vergangenen Jahren – im ganzen Jahr 2015 hat die Türkei genau sechs Menschen aus Griechenland zurückgenommen." (APA, 2.11.2016)