Bestimmend für den Erfolg eines Teams seien implizite soziale Normen, die sich im Laufe der Zusammenarbeit bilden – sich ihnen als Führungskraft zu widmen lohne sich, sagt Experte Wolfgang Güttel.

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In den vergangenen 20 Jahren habe die Zeit, die Manager und Mitarbeiter mit Teamarbeit verbringen, um 50 Prozent zugenommen, schreibt die Harvard Business Review. Teams sind innovativer, kreativer, erkennen Fehler eher, heißt es in Studien. Angeblich soll Teamarbeit auch die Zufriedenheit bei der Arbeit erhöhen. Umso wichtiger also, dass sie funktioniert. Der Schlüssel wird oftmals in der richtigen Teamzusammensetzung vermutet: dem richtigen Mix an Persönlichkeiten und Kompetenzen.

Um herauszufinden, was nun tatsächlich ein erfolgreiches Team ausmacht, startete der Großkonzern Google ein eigenes Forschungsprojekt. Dafür wurden über 100 Teams über längere Zeit untersucht. Es stellte sich heraus: Die Personen spielen für die Performance keine große Rolle – viel bestimmender sind offenbar ungeschriebene Gesetze der Zusammenarbeit. Dass es jene impliziten "sozialen Normen" sind, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden, sagt auch Wolfgang Güttel vom Institut für Human Resource & Change Management an der Universität Linz. "Sie werden auf Teamebene geformt, bilden sich über einen längeren Zeitraum heraus und werden gerne auch als Unternehmenskultur bezeichnet."

Prägen die Leistung

Soziale Normen resultieren zu Beginn aus individuellen Vorstellungen, die ab einem gewissen Zeitpunkt kollidieren – "zum Beispiel kurz vor wichtigen Deadlines. Da werden Differenzen so sichtbar, dass sie nicht mehr ignoriert werden können", erklärt Güttel. "Wenn etwa ein Vertriebsteam neu zusammengesetzt wird, kann die Frage der Häufigkeit von Kundenbesuchen aufkommen. Für manche Teammitglieder waren früher zwei Besuche pro Tag ausreichend. Andere glauben, dass acht nötig sind, um erfolgreich zu sein." Über eine Konfliktphase gleichen sich individuelle Ansprüche notwendigerweise an. Ein kollektives Anspruchsniveau entsteht: "Als informelle Messlatte wird eine bestimmte Anzahl an Kundenbesuchen von allen Teammitgliedern erwartet." Wer sich nicht daran hält, dem droht der Ausschluss aus dem Kernteam.

Wie die Google-Studie zeige, prägten soziale Normen wesentlich das Leistungsverhalten oder wie aus Fehlern gelernt werde. Daher müssten sich Führungskräfte eingehend mit ihnen auseinandersetzen, rät Güttel. "Das ist schwierig, denn ich sehe immer nur die Person, soziale Normen, die gleichermaßen das Verhalten prägen, bleiben unsichtbar. Deshalb passieren fundamentale Attributionsfehler: Verhalten wird nur auf die Person und nicht auf soziale Normen zurückgeführt."

Auf Normen Einfluss nehmen

Personen könnten Führungskräfte nur bedingt ändern – soziale Normen hingegen könnten sie sehr wohl lenken, um das Verhalten der Mitarbeiter zu beeinflussen. Aber wie? Güttel empfiehlt: "Sinnstiftung, Sanktionierung und Spielraum".

Zunächst müsse ein gemeinsames Grundverständnis des Zielsystems und der sozialen Normen, quasi Spielregeln der Zusammenarbeit, geschaffen und verfestigt werden (Sinnstiftung). Durch das Transparentmachen von Leistungen entstehe Konformitätsdruck, sofern die Leistungen im Team passen. Positive oder negative Sanktionierungen zeigen, was an Leistung erwartet wird.

Brächten Mitarbeiter die gewünschte Leistung, "sind sie willens zu arbeiten und passen die Ergebnisse", könne man ihnen ruhig mehr Spielraum zugestehen, sagt Güttel. Passe die Teamleistung hingegen nicht, bleibe ohnehin nur ein umfangreicher Organisations- oder Teamentwicklungsprozess, "um die Neubildung von Zielen, Normen oder Rollen in die Wege zu leiten". (Lisa Breit, 10.11.2016)