"Frauen müssen ihre weibliche Stärke leben dürfen", sagt Autor Christian Seidel. Sein Buch ist eine Aufforderung zu einer tiefgreifenden Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen und -klischees.

Foto: iStock

Treten sie bestimmt auf, gelten sie schnell als eiskalt. Sind sie um Kompromisse bemüht, heißt es, sie seien harmoniebedürftig und nicht hart genug für eine Führungsposition. Bewegen sich Frauen auf beruflichem Terrain, können sie nur verlieren, so scheint es. Eine permanente Lose-lose-Situation, die Soziologen auch als Double Bind bezeichnen. Dazu, wie Frauen sich angeblich besser behaupten können, gibt es zahlreiche Ratgeber.

Sie stoßen vielen auf – darunter auch einem Mann: Christian Seidel, Schauspieler, Coach und Autor von Gender Key – der sein neues Buch als "Anti-Anleitungsbuch" sieht, wie er der deutschen Zeitung Die Zeit sagte. Anstatt aktuelle Ordnungen zu akzeptieren und sich darin zu behaupten, gehe es ihm darum, "dass jede Frau individuell die Geschlechterklischees anschaut, in denen sie gefangen ist". Nur so könne es gelingen, sie aufzubrechen und zu verändern. Nur so könnten Frauen und Männer auf Augenhöhe zusammenarbeiten.

Nicht völlig unterschiedlich

Dazu beschreibt Seidel zunächst – auf Basis von Erkenntnissen aus der Neurobiologie und Genderforschung – die Mechanismen, die das unbeschwerte Agieren von Frauen in einer männlich geprägten Berufswelt behindern: das Gott-Klischee, das Steinzeit-Klischee, das Paar-Klischee, das Liebe-Sex-Klischee. Für Gender Key interviewte Seidel – der Claudia Schiffer managte und Arabella Kiesbauer coachte – Frauen zu ihren Problemen im Beruf. Gender Key ist bereits sein zweites Buch zum Thema Geschlechter. Für sein erstes, Die Frau in mir, trug Seidel eineinhalb Jahre lang Stöckelschuhe, Make-up, eine Perücke und Plastikbrüste. Ein Experiment, um herauszufinden, welche Rolle eigentlich die Kleidung, welche Rolle Tabus und Konventionen, die einem und einer die Erziehung eingeimpft hat, eigentlich für eine Geschlechtsidentität spielen. Seidels Fazit: eine sehr große.

"Seit dieser intensiven Beschäftigung empfand ich es als Niederlage, würden sich Männer und Frauen als unterschiedliche Wesen betrachten, und zwar als Konsequenz unseres genetischen Pools, dem zufolge Frauen angeblich 'schwächer' und 'weicher' sind und Männer 'stärker' und 'rationaler'." Vorstellungen wie diese stellten das Trennende vor das Gemeinsame. Sie hinderten Frauen daran, "sich wirklich als vollständige Menschen fühlen zu können", schreibt der Autor aus München.

Rollen weiterentwickeln

Um sich von der eigenen Geschlechterrolle zu befreien, schlägt Seidel ein Selbstcoaching, eine Art Imaginationstechnik vor. Wobei er das Weiterentwickeln der Geschlechterrollen nur als einen Ausgangspunkt sieht. "Danach geht es erst so richtig los. Vielleicht mit einer neuen Lebensvision oder sogar einer übergreifenden menschlichen Zielsetzung." Angestoßen werden könnte der Wandel von Frauen, die Seidel ermutigt, "Kämpferinnen einer neuen Zeit" zu werden. Sie "kämpfen nicht für sich, sondern für alle. Sie unterstützen Frauen und Männer bei der Selbstfindung und Entdeckung ihrer Freiheit, indem sie sich nicht mehr von geschlechtlichen Rollenklischees beeindrucken lassen."

Aber auch die Politik sieht Seidel in der Pflicht: Sie müsse Druck auf Unternehmen ausüben. "Es darf nicht weiter Usus sein, dass eine Frau, nur weil sie Mutter werden könnte, schlechtere Chancen hat", sagt Seidel zur Zeit. "Und da die leitenden Männer das in 2000 Jahren nicht selbst erkannt haben, gehören sie abgesetzt. Demokratie unter Geschlechtern entwickelt sich nicht, wenn die Diktatoren an der Macht bleiben." (Lisa Breit, 9.11.2016)