Vor ein paar Jahren sah das k.u.k. Bahnhofsgebäude noch schmucklos aus, über Jahrzehnte hatte niemand etwas daran gemacht.

Foto: Növog

Heute steht in der Gemeinde Annaberg Österreichs einziges Apartmenthaus, das einmal ein Bahnhof war.

Foto: Veronika Nutz

Hotelzimmer und Apartments an Bahnhöfen bekommt man überall auf der Welt. In Wienerbruck lässt sich jedoch an der Mariazeller Bahn direkt im alten Bahnhof wohnen. Veronika Nutz hat die Weichen mit sorgfältiger Renovierung auf Tourismus gestellt.

Schwer zu sagen, ob die Geschichte von "Urlaub am Bahnhof" im Jahr 2014 beginnt oder schon 1905. Seit damals jedenfalls steht in Wienerbruck, einem Ortsteil von Annaberg, ein k. u. k. Bahnhof. Heute kann man seine Ferien in zwei generalsanierten Apartments direkt im Bahnhofsgebäude verbringen.

"Urlaub am Bahnhof" hat Veronika Nutz ihre Apartmentidee getauft. In Anlehnung an die Marke "Urlaub am Bauernhof". Aber eigentlich ist es ja Urlaub im Bahnhof, den die 37-jährige Annabergerin an den Gleisen der Mariazeller Bahn ermöglicht hat.

Ein Bahnhof um 35.000 Euro

Im Herbst 2014 hat Nutz den Bahnhof von der Niederösterreichischen Verkehrsorganisationsgesellschaft (Növog) gekauft. Ganz einfach war dieser Kauf nicht. Schließlich war Nutz' Immobilie Teil eines riesigen Növog-Grundstücks, das entlang der Mariazeller Bahn von St. Pölten bis nach Mariazell reichte.

Das Gebäude mit rund 110 Quadratmetern plus 1500 Quadratmeter Grund bekam sie schließlich für 35.000 Euro. Weitere 200.000 Euro steckte sie in die Generalsanierung des Bahnhofs, in dem heute zwei etwa gleich große Apartments untergebracht sind. Die Gemeinde Annaberg sei ihr bei der Umwidmung zur touristischen Nutzung sehr entgegengekommen.

Konsequentes Konzept

Nutz sagt, die Mariazeller Bahn sei für die Region eine "Lebensader", der renovierte Bahnhof diene nach wie vor als Haltestelle. Allerdings nur alle zwei Stunden pro Fahrtrichtung und auch nicht abends. "Die Fahrgäste werden nicht nur geduldet, sondern ich finde das nett, dass wir sie haben. Das ist Teil des Konzepts", sagt Nutz. "Den Leuten, die hier Urlaub machen, ist bewusst, dass es ein Bahnhof ist."

Nutz, hauptberuflich Projektmanagerin im Tourismus, hat das Leitmotiv "Urlaub am Bahnhof" bis zu den Namen der Apartments durchgezogen. Jenes im Landhausstil heißt Ötscherbär, benannt nach den alten Wagons der Mariazeller Bahn, die für Nostalgiefreunde noch samstags unterwegs sind. Das modernere Apartment nennt Nutz Himmelstreppe, so wie die neuen Züge der Mariazeller Bahn heißen. Eine Übernachtung kostet 113 Euro.

Aussteigen und sofort einchecken

Die Bahnhofsferienwohnungen liegen neben einem Stausee und am Eingang des Naturparks Ötscher-Tormäuer. Mit den zahlreichen Wanderwegen des Mariazeller Landes, den Ötschergräben oder dem Erlebnisdorf Sulzbichl hat die Region vor allem im Sommer ein vielseitiges Angebot. "Man kann in drei Tagen gar nicht alles sehen, was die Gegend zu bieten hat", plädiert Nutz für einen entschleunigten Urlaub. Vom Wiener Hauptbahnhof sind es nur zweieinhalb Stunden bis zum Bahnhof Wienerbruck und damit auch zum Apartment.

Um dem Gebäude, in dem bis vor wenigen Jahren noch die Witwe des ehemaligen Stationsvorstehers wohnte, nichts von seinem Charme zu nehmen, hat Nutz es umfassend renoviert, aber seinen Charakter bewahrt. Hilfreich war, dass ihr Mann Jürgen einen Malerbetrieb führt. Die Böden wurden mit Hanf gedämmt und mit Fichte verlegt, Wasserrohre installiert und die Elektrizität erneuert. Die alten Türen, die Nutz auf dem Dachboden gefunden hatte, wurden nach der Restaurierung natürlich auch eingebaut. Die Fenster ließ Nutz außen nach dem Vorbild alter Fotos wie Kastenfenster gestalten, innen wurde solides Doppelglas eingesetzt.

Bahnhofsruinen erblühen

Die Revitalisierung von Bahnhöfen hat in Niederösterreich mittlerweile Karriere gemacht: In St. Aegyd lockt im ehemaligen Bahnhof eine sogenannte "Süßmeisterei", die handgeschöpfte Schokoladen verkauft. Die Maßschuhmacherin Doris Pfaffenlehner hat sich im ehemaligen Bahnhof von Kernhof niedergelassen. In Ober-Grafendorf gibt es ein Bahnhofsbräu, und die Gemeinde Weinburg hat im Ortsteil Klangen einen "Kunstbahnhof" eingerichtet.

Einen Urlaub im Bahnhof kann man aber bisher nur in Wienerbruck verbringen. "Das ist ja auch meine Art, Urlaub zu machen", sagt Veronika Nutz. "Ich suche Orte und Häuser, die eine Geschichte erzählen." (Lukas Kapeller, 11.11.2016)