Containerzeilen und Mehrzweckhallen prägen das Bild vieler Industrie- und Gewerbezonen überall in Österreich. Architektonisch ansprechende Produktionsstätten oder Unternehmenssitze waren vor allem in der Vergangenheit selten.

Die Peter Blau GmbH in Liesing ist sich auch bei der Planung des Gebäudes treu geblieben: Kupfer drinnen, Kupfer draußen.
Foto: Markus Schieder

"Früher mussten Hofer- oder Media-Markt-Filialen so aussehen, um für das zu stehen, was sie sind", sagt Landschaftsarchitekt Dominik Scheuch von YEWO – ganz nach dem Motto: außen billig, innen billig. Heute sei das anders, plötzlich spiele auch bei diesen Unternehmen Architektur eine Rolle: "Mittlerweile gibt es Lichtkonzepte, es wird viel Glas eingesetzt", sagt Scheuch. Gemeinsam mit anderen Architekturinteressierten ist er an diesem Tag unterwegs zu Unternehmen in Niederösterreich und Wien, die moderner Architektur eine Chance gegeben haben. Organisiert wird die Exkursion vom niederösterreichischen Architekturnetzwerk ORTE.

"Unternehmen präsentieren sich nach außen hin immer öfter, sie zeigen ihre Corporate Identity. Wer sich nach außen hin schön macht, empfängt auch Besucher gern", sagt Scheuch. Und er behält Recht: Schon bei der ersten Station, der Peter Blau GmbH in Wien-Liesing, werden Besucher, die auch sonst vor allem wegen der Architektur des Firmensitzes kommen, herzlich empfangen. Der Chef des Metallgroßhandels, Paul Blau, erzählt: "Früher sind wir alle zehn Jahre umgezogen, weil uns die Räumlichkeiten zu klein geworden sind. Unseren Firmensitz haben wir deshalb eine Nummer größer gebaut, um hier noch ein paar Jahre bleiben zu können."

Ein "Tupfer" in der Landschaft

Entworfen wurde das Gebäude vom Architekturbüro Poppe*Prehal. Nach außen zeigt sich, was auch innen auf dem Programm steht: "Kupfer ist unsere Sache", sagt Blau und erzählt schmunzelnd, dass er sogar den Mistplatz mit Kupferblechen eingerahmt haben wollte.

"Warum aber braucht es für Unternehmensgebäude besondere und keine 08/15-Architektur?", fragt Blau und beantwortet seine Frage gleich selbst: "Für die Mitarbeiter, die sich hier wohlfühlen sollen, und um unser Unternehmen nach außen hin zu präsentieren." Besonders im 23. Bezirk sei das Gebäude ein "Tupfer in der Landschaft, der sofort auffällt".

Blau ist überzeugt, dass gute Architektur nicht teurer sein muss und einem Unternehmen auch große wirtschaftliche Vorteile bringen kann. "Wir werden durch unser Firmengebäude jetzt ganz anders wahrgenommen als früher. Seit wir hier arbeiten, sind ganz neue Kundengruppen auf uns aufmerksam geworden, die früher nicht mit uns zusammengearbeitet hätten."

Das liegt vermutlich auch daran, dass das als Blue Building zertifizierte Peter-Blau-Firmengebäude ökologisch vorbildlich konzipiert ist. Energie wird mit Wärmetauschern und Photovoltaikanlagen erzeugt, im Winter kommen 25 Prozent der Wärme aus dem Serverraum. Die beim Bau verwendeten Materialien sind abbaubar.

Durchdachtes Konzept

Ähnlich durchdacht ist auch die zweite Station der ORTE-Tour, das Produktions- und Bürogebäude der Firma Kahles in Guntramsdorf. Die Swarovski-Tochter produziert hier weltweit eingesetzte Zielfernrohre. Dass Optik dabei eine Rolle spielt, zeigt sich schon an der Holzfassade des Gebäudes – sie ist in den Spektralfarben der Linse gestrichen. Aufgebaut ist das von DINA4 Architektur entworfene Gebäude wie ein Schneckenhaus. Damit wird der Weg der Produktion imitiert.

Das Produktionsgebäude des Zielfernrohrherstellers Kahles in Guntramsdorf.
Foto: Redl

Der erste Eindruck: Von außen wirkt das Gebäude unauffällig und bescheiden. Der einstöckige Bau ist in den Hang eingebettet. Durch große Glasfronten in den Büros scheint das Gebäude fast mit der umliegenden Natur zu verschmelzen. Besonders deutlich wird das, wenn Feldhasen auf die Wiese hinter dem Firmengebäude hoppeln. "Die Hasen sind gemeinsam mit uns hier eingezogen", erklärt ein Mitarbeiter.

Die nächste Station führt die Ausflügler nach Berndorf. Dass Industrie hier eine lange Tradition hat, zeigt sich auf dem Gelände des Büro- und Industrieparks Berndorf. Backsteingebäude und Fabriksschlote prägen das Areal entlang der Triesting. Mittendrin jedoch liegt seit einigen Jahren eine moderne Kantine für die mehr als 2000 Angestellten, entworfen vom Architekturbüro Schafler. Auch hier wird Transparenz durch den Einsatz von Glas geschaffen. "Wir wollten, dass der, der hier sitzt, das Werksgelände vor sich im Blick hat. Zudem wollten wir ein zeitgemäßes Zeichen setzen", sagt Gerhard Schafler. Zeitgemäß ist nicht nur die Architektur, sondern auch die Innengestaltung des Gebäudes. So hat etwa der Künstler Tomas Hoke, der auf dem Berndorf-Areal arbeitet, eine gläserne Wand und eine Lichtinstallation beigesteuert.

Flusswasser kühlt

Der Glaspavillon musste zum Schutz vor Hochwasser um 80 Zentimeter vom Bodenniveau angehoben werden, dadurch entsteht der Eindruck, die Kantine würde über der Erde schweben. Ein vier Meter vorstehendes Dach schützt vor der Sonne. Weil tragfähiger Baugrund erst in fünf Metern Tiefe gefunden wurde, ist die Fundamentierung der Kantine ein Pfahlbau, erklärt Schafler. Was der naheliegende Fluss beim Bau der Kantine an Herausforderungen mit sich gebracht hat, macht er im Betrieb des Gebäudes wieder wett, denn das Flusswasser wird zur Kühlung verwendet.

Die Kantine der Berndorf AG ist das Zentrum des Werksgeländes.
Foto: Redl

Was die Architekten bei der Planung zudem besonders beschäftigte, war die Frage, wie ihre moderne Kantine von den Mitarbeitern angenommen werden wird. "Geht in so ein neues, schönes Gebäude auch wirklich jeder Arbeiter rein?", habe man sich auch bei der Berndorf Holding gefragt und daher die Preise für Mittagessen so niedrig wie möglich gehalten. "Und es hat zum Glück funktioniert", sagt Schafler.

Produkt ist Programm

Der nächste Programmpunkt der Exkursion führt zum Areal der Firma Kampichler nach Theresienfeld. Auch hier prägt das Produkt die Architektur. Der Steinmetzbetrieb, der hier selbst mit Produktions- und Lagerhallen untergebracht ist, aber auch Flächen an andere Unternehmen vermietet, hat vom Architekturbüro gerner°gerner plus auf 180 Metern Länge Hallen aus Sichtbetonplatten und vorgelagerte Verladebereiche entwerfen lassen.

Die Kampichler-Produktions- und Lagerhalle in Theresienfeld.
Foto: Redl

"Dass es hier aufgeräumt aussieht, war dem Bauherrn besonders wichtig", erklärt der Architekt Matthias Raiger. Und das ist gelungen: Auf den ersten Blick sieht der Besucher nämlich nur Betonmauern, erst wer um die Ecke blickt, sieht, dass Baumaterial dahinter gelagert wird. Besonders gelungen ist die Linienführung des halboffenen Lagerplatzes. Auch hier sorgt wieder der Werkstoff Glas für Transparenz.

Beim Rundgang auf dem Betriebsgelände wird, wie auch schon bei den Stationen zuvor, klar: Hier geht es nicht nur um erfolgreiches Wirtschaften, sondern um Ästhetik, Nachhaltigkeit und die große Liebe zur Architektur. (Bernadette Redl, 17.11.2016)