Bücher sind ein guter Weg, den Körper und Krankheiten verstehen zu lernen. Oft erfahren dabei sogar Erwachsene noch etwas Neues.

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"Die Wörter fliegen" von Jutta Treiber und Nanna Prieler, G&G-Verlag 2015, € 14,90.

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Um Kindern Alzheimer und Demenz zu erklären, fehlen Erwachsenen oft die passenden Wörter. Die Erkrankung ist vielschichtig, gerät zur ständigen Herausforderung für Betroffene und Angehörige. Alltägliches wird zunehmend zur Ausnahme. Gute Tage kommen seltener, schlechte gibt es dafür immer häufiger.

Die mehrfach mit Literaturpreisen ausgezeichnete burgenländische Kinderbuchautorin Jutta Treiber wagt sich trotzdem über dieses schwierige Thema. Das gelingt ihr, indem sie die Wörter einfach fliegen lässt. Zunächst von Oma zur zweijährigen Pia. Einen wahren Wörterschatz teilt die Großmutter mit ihrer Enkelin. Zunächst einsilbig: "Tisch, Wind, Haus." Pia wird größer, der Wörterschatz wächst ebenfalls: "Fliege, Schmetterling, Fenster, Silbertanne, Rosenhecke, Liegestuhl, Swimmingpool."

Schließlich ist Pia erwachsen, und Oma beginnt sich sonderbar zu verhalten. Eines Tages sagt sie: "Mach den Teller zu, es windet." Oder: "Ich kann nicht mehr tanzen im Blauwasserteich." Ihre Wörter werden durcheinandergeschüttelt, manche von ihnen scheinen auch weggeflogen zu sein. Das Buch zeigt einfühlsam, dass Altersdemenz trotzdem nicht nur Verlust bedeutet. Denn Pia hat auf den Wörterschatz von Oma gut aufgepasst. So finden die Wörter zumindest manchmal wieder zurück zur Großmutter.

Wohltuend unaufgeregt

Bei der Gestaltung beweist die erst 25-jährige Illustratorin Nanna Prieler Liebe zum Detail. Dennoch wirken die Zeichnungen wohltuend unaufgeregt. In dezenten Farben macht sie das Erwachsen- und Älterwerden sicht- und damit nachvollziehbar.

Was Prieler noch zeigt: Es braucht nicht immer Worte, auch der Körper kann wunderbar sprechen – etwa in einer Umarmung, die sagt: "Ich hab dich lieb." Oder: "Mach dir keine Sorgen, Oma." Diese Botschaften verstehen bereits Zwei- und Dreijährige. Aber auch größeren Kinder kann die Lektüre empfohlen werden.

Fazit: ein poetisches Kinderbuch, das ohne Pathos auskommt; das die Krankheit auf den Punkt bringt, ohne platt zu sein. Sprachlich und zeichnerisch überzeugend, ein echter Buchschatz. Mehr davon bitte! (Günther Brandstetter, 6.11.2016)