Christian Harringer, gelernter Tischler und lernender Bierbrauer: Er macht eine Lehre, an deren Ende er von der Brautechnik mehr verstehen wird als sein Lehrherr – was etablierte Braumeister kritisieren.

Foto: Conrad Seidl

Mario Scheckenberger ist eine der legendären Figuren in der österreichischen Bierszene: Jahrelang war er Brand-Manager für Gösser, versuchte sich nebenbei mit Erfolg als Home-Brewer und hängte schließlich den Job bei der BrauUnion an den Nagel, um eine eigene professionelle Brauerei zu eröffnen. "Wir hämmern den Geschmack ins Bier", schreibt er auf der Website seiner Bierschmiede, eines kleinen Brewpubs in Steinbach am Attersee.

Und er heimst eine Medaille nach der anderen ein – zum Beispiel für sein mit amerikanischem Citra-Hopfen verfeinertes Pils mit dem schönen Namen "Meisterstück".

Dabei ist der Bierschmied gar kein Meister. Aber er bildet einen Lehrling aus – einen, der sich selbst einen Namen in der Szene gemacht hat: Christian Harringer, geboren 1985, hat schon immer einen Hang zum Bier gehabt.

Im zarten Alter von drei Jahren hat ihn ein Onkel auf eine Führung in die Zipfer-Brauerei mitgenommen, mit 13 hat er sein erstes Bier, ein Zipfer Medium, gekostet: "Man sagt oft, dass Leuten das erste Bier nicht schmeckt. Mir hat es geschmeckt – die erste Zigarette hat mir nicht geschmeckt."

Sich der wahren Liebe widmen

Mit 15 ging Harringer dann in die Lehre. Allerdings nicht in eine Brauerei, sondern zu einem Tischler – "ich wollte immer etwas mit den Händen machen". In der Tischlerei bewährte er sich jedenfalls so, dass ihm im Vorjahr die Leitung der Werkstätte angeboten wurde.

Das war ein Wendepunkt: Entweder er würde dem Holz treu bleiben oder sich seiner wahren Liebe widmen. Und das war, solange er sich erinnern kann, die Bierbrauerei. Er hat sich schon in seiner Zeit als Tischlerlehrling ein Buch über das Heimbrauen gekauft, das war noch so eines, in dem zum Abläutern empfohlen wurde, einen Tisch umzudrehen und ein Tuch zwischen den Tischbeinen zu spannen, um auf diese Art einen Filter zu konstruieren – "das hat mich eher abgeschreckt".

Aber sein Nachbar Trevor, ein Engländer, hat den jungen Tischler auf den Geschmack gebracht: "Der hat ein Brew-Kit gehabt, um ein IPA zu brauen, das war eine neue Dimension. Und beim Zivildienst habe ich jemanden kennengelernt, der zwar keinen Tropfen trinkt, aber mit unglaublicher Genauigkeit die Geschichte von Brauereien und Bieren verfolgt hat."

Nochmal eine Lehre

Harringer wollte auch mehr wissen, machte eine Biersommelier-Ausbildung – "die beste Fortbildung seit meiner Lehre" – und fand heraus, dass die Bierbrauer irgendwie eine Familie bilden.

Da wollte er dazugehören. Da wollte er nicht nur mit seinen mehrfachen Staatsmeistertiteln als österreichischer Hobbybrauer reüssieren, sondern Anerkennung als Profi bekommen. Da wollte er nochmal eine Lehre anfangen.

Aber in einer Großbrauerei? Harringer winkt ab: "Da arbeitest du die meiste Zeit in der Füllerei – zum Bierbrauen kommst du da gar nicht. Aber dann habe ich gehört, dass der Mario Scheckenberger einen Lehrling aufnehmen würde. Und das hat dann gepasst."

Dass er in der Bierschmiede nicht das gesamte Spektrum des Lehrberufs des Brau- und Getränketechnikers erlernen kann, stört ihn nicht – anders als viele professionelle Brauer.

Skeptische Braumeister

Günther Seeleitner, Präsident des Bundes der Braumeister und Brauereitechniker: "Ich habe Bedenken, wenn jemand, der selbst nicht vom Fach ist, Lehrlinge ausbildet. Da gibt es viele Kleinbrauer, die durchaus gute oder sogar sehr gute Biere machen, aber eben die Breite des Berufs und das technische Wissen nicht haben." Wenn diese jetzt beginnen, Lehrlinge auszubilden, dann sei die Qualität der Ausbildung nicht gewährleistet.

Seeleitner: "Ich habe auch schon mal eine Glühbirne eingeschraubt und auch eine Steckdose montiert – aber ich würde mich nicht als befähigt sehen, einen Elektrikerlehrling auszubilden." Seeleitner hat – mit breiter Zustimmung der Mitglieder des Braumeisterbundes – kürzlich darauf hingewiesen, dass die neuen Craftbierbrauer sich mit den Lehrlingen billige Arbeitskräfte ins Unternehmen holen könnten, die dann zur eigenen Arbeitskraft auch noch ein Fachwissen einbringen, das im Betrieb vorher gar nicht vorhanden war.

Praktika in anderen Betrieben

Harringer räumt ein, dass es für ihn als "werdenden Vater" nicht leicht war, die sichere Arbeitsstelle als Tischler wegen einer Lehrstelle aufzugeben; ein finanzieller Rückschritt sei das schon gewesen. Aber andererseits "sehe ich das als Investition in die Zukunft". Was er in der Bierschmiede nicht an Berufspraxis gewinnen könne, das werde er bei Praktika in anderen Betrieben gewinnen.

Und die fachliche Ausbildung bekomme er ohnehin in der Berufsschule in Wien, wo derzeit 23 junge Leute – aus Kleinstbrauereien ebenso wie aus Österreichs größter Brauerei in Göss – ihre Ausbildung erhalten.

Nach den drei Jahren Lehrzeit "bin ich dann vielleicht qualifizierter als der Mario" – und was er mit dieser Qualifikation machen will, müsse er dann überlegen. (Conrad Seidl, 8.11.2016)