Mit 4-Zylinder-Otto- ...

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... und -Dieselmotoren (Letztere im Frühjahr eingeführt), ...

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... Reihen-6-Zylinder-Otto- ...

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... und -Dieselaggregaten ...

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... sowie einem neuen Biturbo-V8 bläst Mercedes zur größten Motorenoffensive seiner Geschichte.

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Sindelfingen – Das wird Freunde klassischer Motorenkultur freuen: Mit der neuen 6-Zylinder-Generation kehrt Mercedes nach langer V6-Zeit zum Reihensechser zurück. BMW könnte jetzt sagen, wir haben es immer schon gewusst. Allein die Logik dahinter, bei einem Techniktag in Sindelfingen kundgetan, ist schon schlüssig.

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Bisher bildete nämlich der Reihen-4-Zylinder eine eigene Baugruppe, V6 und V8 eine andere. Nun hat man sich – auch das erinnert stark an BMW (und Volvo) – auf einen Hubraum von 500 cm³ pro Zylinder als Idealmaß verständigt und baut im Baukastenprinzip 4- und 6-Zylinder, somit Otto- und Dieselmotoren mit zwei und drei Liter Hubraum, die auch die überwiegende Masse im Mercedes-Motorenabsatz darstellen. Der V8 bleibt erhalten, wird aber zum Solitär – wobei er mit 4,0 Liter Hubraum (jaja, auch hier herrscht inzwischen das Prinzip Downsizing), Biturboaufladung und 476 PS als Schmankerl für Dam- und Herrschaften mit der ganz großen Geldbörse bereitstehen wird.

Das modulare Prinzip bei den 4- und 6-Endern mit dem einheitlichen Zylinderabstand von 90 mm bringt enorme Kostenvorteile, und die fünf neuen Motorengenerationen sollen nicht nur bei der Leistung, sondern auch beim Verbrauch neue Standards – Pardon: Standards setzen. Muss ja auch sein, angesichts der immer strengeren Umweltauflagen. So jedenfalls kann man fünfe gerade sein lassen. Und falls das wen interessiert: Die 3-Zylinder bezieht die Technologiesupermacht Daimler künftig allesamt von Renault.

Die größte Motorenoffensive der Firmengeschichte lässt Daimler sich drei Milliarden Euro kosten. Als Erster ist der 4-Zylinder-Diesel (interne Kennung: OM 654) bereits seit Frühjahr in der E-Klasse im Einsatz, die anderen Triebwerke legen 2017 in der S-Klasse los und sickern dann sukzessive in die übrige Modellpalette ein.

Wer bremst, gewinnt

Mit der Umstellung des Motorenprogramms kommt auch das 48-Volt-Bordnetz großflächig zum Einsatz. Das ermöglicht u. a. deutlich höhere Bremsrekuperationsraten (bis zu 80 Prozent!) sowie effizienzsteigernde Nebenaggregate wie den integrierten (Kürzel: ISG) und auch den riemengetriebenen Starter-Generator (RSG).

Am Beispiel Reihensechszylinder-Benziner: Mit 408 PS liegt dessen Leistung im Bereich des heutigen V8, zugleich wurden aber im Vergleich zum V6-Vorgänger die CO2-Emissionen um 15 Prozent reduziert. Beim Anfahren stellt der vom ISG unterstützte elektrische Zusatzverdichter (noch ein Kürzel: eZV) im Drehzahlkeller hohes Drehmoment bereit, reißt also den Motor drehzahlmäßig so weit hoch, bis der große Turbolader sinnvollerweise die Arbeit übernimmt. Turboloch war gestern.

Mit den neuen Motorenfamilien setzt der Konzern ein klares Bekenntnis zum Verbrenner, auch zum Diesel, denn "Verbrennungsmotoren werden noch lange eine wichtige Rolle spielen". Parallel dazu wird die (Plug-in-)Hybridschiene zügig ausgebaut, und für rein batterieelektrische Fahrzeuge wurde soeben die Submarke EQ ins Leben gerufen – bis 2025 kommen "mehr als zehn" reine Elektromobile auf den Markt, den Auftakt macht 2017 der Smart ED.

18 Beaufort

Weil jetzt die Zeit der Herbststürme ist: Sind Sie schon einmal in einem 180-km/h-Wind gestanden? Wir nicht. Die Mitarbeiter im Sindelfingener AIZ auch nicht; sie könnten aber, sähe zufällig einmal gerade keiner zu, da die Fahrtwindgebläse die zu prüfenden Automobile mit sogar dieser Intensität (laut Beaufortskala wäre das Stärke 18) bestürmen können.

AIZ, das steht für Antriebsintegrationszentrum, in welches Daimler 600 Millionen Euro investiert hat – für neue Prüfstände, um "die neuen Technologien und Antriebe konsequent für die Zukunft weiterzuentwickeln" . Der Betrieb wurde im Sommer aufgenommen.

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AIZ-Highlight ist der Fahrzeug-Antriebsstrangprüfstand. Da wird in der Kammer jedes Rad über Radnaben mit einem Hochleistungselektromotor verbunden, jede einzelne der vier Maschinen leistet 270 kW und bringt bis zu 4000 Nm Drehmoment ans Rad. Das erlaubt Fahrsimulationen in einem ganz neuen Maßstab, spart viel Zeit gegenüber der konventionellen Straßenerprobung und somit auch wiederum Kosten.

Besonderheit eines anderen Rollenprüfstands ist eine Klimahöhenkammer, in der Bedingungen von bis zu 5000 Meter Seehöhe simuliert werden können. Das macht die Testfahrten auf dem Montblanc-Massiv obsolet. Die Kammer ließe sich auch als Tresor nutzen, denn um diesen enormen Unterdruck zu erzielen, bedarf es eines Tores aus 25 cm dickem Stahl. Was man nicht alles braucht, um sich zukunftssicher aufzustellen. (Andreas Stockinger, 13.11.2016)