Personenzug unterwegs auf der zukünftigen Strecke Pau-Canfranc: Güterzüge sollen folgen und der Region neue Impulse geben.

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Canfranc – Es ist das Symbol eines Mammutprojekts, das niemals Früchte trug, und zugleich eines der imposantesten Bahnhofsgebäude Spaniens: die Estación Internacional de Canfranc. Auf 1200 Metern Seehöhe gelegen, wurde sie mit der Inbetriebnahme des grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehrs 1928 eröffnet. Mit 27 Gleisen ist der verfallene Geistergrenzbahnhof im gleichnamigen Pyrenäendorf mit knapp 550 Einwohnern überdimensioniert. Doch lockt er neben Wanderurlaubern Scharen an Eisenbahnromantikern nach Canfranc.

Hier heißt es noch Endstation für die zwei täglichen Canfranero-Regionalzugverbindungen der spanischen Bahngesellschaft Renfe. Aus Saragossa kommend, transportieren sie alljährlich 54.000 Passagiere, vornehmlich in die Provinzhauptstadt Huesca und nach Jaca, wie man seitens der Renfe auf STANDARD-Anfrage betont. Das könnte sich jedoch in den kommenden Jahren ändern, feilt man doch in Madrid und Paris nach 46 Jahren an der Wiederaufnahme des grenzüberschreitenden Bahnverkehrs.

Einst war die Trasse gar für eine Expressverbindung von Paris nach Madrid via Canfranc angedacht, auf der nach Kilometern direktesten Strecke zwischen beiden Hauptstädten. Doch Reisende brauchten seinerzeit allein vom französischen Pau nach Saragossa für die 311 Kilometer einen ganzen Tag. Auch wegen des Umsteigens in Canfranc, aufgrund unterschiedlicher Spurweiten und penibler Grenzkontrollen.

Die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre verhinderte, dass der Gütertransport zum Höhenflug ansetzte. Für das Gros der Waren und Rohstoffe, aber auch Reisende gab es bequemere, alternative Bahnverbindungen: im Süden via das katalanische Portbou am Mittelmeer oder das baskische Irun.

Dunkle Materie

Im Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939), besetzten die Putschisten unter dem späteren faschistischen Diktator Francisco Franco den Bahnhof Canfranc. Den wichtigen Grenztunnel Somport mit fast acht Kilometern Länge mauerten sie zu. Um Überraschungsangriffe aus Frankreich, aber auch die Flucht von Republikanern in das Nachbarland sowie vice versa von vom Vichy-Regime Verfolgten nach Spanien zu verhindern.

Eine einzige, kurze Phase der Auslastung folgte mit dem Export von Wolfram und Eisenerz für die nazideutsche Panzerproduktion im Zweiten Weltkrieg. Ab Kriegsende begann der Verfall der Trasse. Bis 1970 ein Güterzug auf der französischen Seite entgleiste und dabei die Eisenbahnbrücke bei L'Estanguet einstürzte. Die Strecke wurde stillgelegt. Der Somport-Eisenbahntunnel beherbergt seit den 1980er-Jahren ein unterirdisches Labor, wo an Dunkler Materie geforscht wird.

Mitte Oktober 2016 starteten die Regionalregierungen von Aragon und dem benachbarten französischen Aquitanien eine neuerliche Offensive, um aus Brüssel Unterstützung für die Wiederinbetriebnahme der Canfranc-Bahn zu erhalten. Wie Aragons Premier Javier Lambán betont, wäre "der alte Traum ein beachtliches Stück näher daran, Realität zu werden". Es gehe nicht nur darum, die kulturelle und wirtschaftliche Kooperation der Grenzregionen zu fördern. "Mittelfristig ist ein Ausbau logistisch sinnvoll", sagt Lambán.

Auf halbem Weg zwischen dem Mittel- und dem kantabrischen Meer gelegen, wäre man potenzieller Knotenpunkt für den Transport zu den Häfen von Valencia und Bilbao aus Frankreich: "Die Logistik ist Eckpfeiler der wirtschaftlichen Entwicklung in den Pyrenäen und ganz Aragons."

Vor der EU-Kommission sei es eine Stärke des Projekts, dass es sich um bestehende Infrastrukturen handle, die nur einer Modernisierung bedürfen. Was die Kosten im Rahmen hielte und kaum Einfluss auf die Umwelt hätte. Technologische Fortschritte ließen Züge einfacher die großen Höhenunterschiede meistern. Gilt es doch Neigungswinkel von 20 Promille auf spanischer Seite und bis zu 43 Promille auf der französischen zu überwinden.

Geld für die letzten Kilometer

Da die Trassen nicht durchgehend mit Oberleitungen elektrifiziert sind, schleppen sich seit Juli dieses Jahres dieselbetriebene Regionalzüge der französischen SNCF von Oloron nach Bedous in die Bergregion empor. Die Instandsetzungsarbeiten auf 24,7 Kilometern Strecke, mit 31 Brücken und sieben Tunneln, kosteten mehr als 102 Mio. Euro. Züge halten nur 30 Kilometer vor der Grenze.

Doch der Ausbau dieses letzten Teilstücks sprengt mit über 300 Mio. Euro das Regionalbudget der Nouvelle-Aquitaine. Daher hofft man dort auf ein Engagement der EU. Bis 7. Februar 2017, dem Stichtag für EU-Förderungen grenzüberschreitender Infrastrukturen, dotiert mit 110 Mio. Euro, will man den Antrag einreichen.

Madrid prescht derweil voran. Während sich die Renfe sowie die Infrastrukturtochter Adif in Erwartung politischer Weichenstellungen bedeckt zeigen, kündigte Mario Garcés, Vizesekretär im Infrastrukturministerium an, eine erste Tranche von 80 Mio. Euro für die Renovierungsarbeiten der Gleiskörper auf spanischer Seite bereitzustellen. (Jan Marot, 12.11.2016)