Eiszeit zwischen Bundeskanzler Kern und Vizekanzler Mitterlehner.

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Wiens Bürgermeister Michael Häupl sieht die SPÖ bereits "am Limit" angekommen. Die Wiener Grünen unter Maria Vassilakou haben Bedenken gegenüber dem jüngsten Vorschlag des Sozialministers.

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Wien – Die Verhandlungen zur Reform der Mindestsicherung sind endgültig gescheitert. Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern erklärte am Dienstagabend in der "ZiB 1", dass keine österreichweit einheitliche Lösung möglich sei und die Länder daher nun eigene Regelungen beschließen sollen. "Ich bin überzeugt, dass das der richtige Weg ist", sagte Kern.

Am Mittwoch erklärte auch Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, dass weitere Verhandlungen nicht sinnvoll seien. "Wir haben das jetzt schon gehabt, und warum sollte das nicht auch in Zukunft funktionieren?", sagte Mitterlehner dem Ö1-"Morgenjournal" und plädierte ähnlich wie Kern für eigene, spezifische Regelungen der Bundesländer: "Ein Modus könnte sein, dass man sich das ein Jahr anschaut. Weil man kann ja dann immer noch die Konsequenzen ziehen, und damit ist ja nichts vertan."

Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) hat die für Mittwoch angesetzte Verhandlungsrunde daraufhin abgesagt.

Letztes SP-Angebot: Sockelbetrag für Flüchtlinge

Schon im Ministerrat am Dienstag hatte sich abgezeichnet, dass auch der jüngste Kompromissvorschlag des Sozialministers beim Koalitionspartner auf Ablehnung stößt. Wie berichtet hat Stöger am Montag der ÖVP überraschend ein neues Angebot gemacht. Bei den arbeitsfähigen Vollbeziehern war er nun doch bereit, eine Muss-Bestimmung bei der Deckelung von 1.500 Euro einzuführen. Kein Land dürfte also darüber hinausgehen.

Für Asylberechtigte schlug er auf Drängen der ÖVP einen Sockelbetrag von nur 520 Euro für Alleinstehende vor. Die Länder könnten dann autonom entscheiden, ob sie mehr zahlen wollen.

Darüber hinaus könne man aber keine weiteren Zugeständnisse mehr machen, sagte Stöger. Er räumte sogar ein, schon den aktuellen Vorschlag gegen seine Überzeugung gemacht zu haben. Als Minister müsse er aber die "Machtverhältnisse" in den Ländern anerkennen. Es gehe um den "kleinsten gemeinsamen Nenner".

Auch Kern soll am Nachmittag in einem Telefonat mit Mitterlehner deponiert haben, dass kein weiteres Entgegenkommen möglich sei. In der "ZiB" formulierte er es so: "Es gibt einen Rubikon, den wir nicht überschreiten dürfen." Vor allem bei Asylberechtigten mache es keinen Sinn, "auf ein Niveau runterzukürzen, von dem man in Österreich in Wahrheit nicht leben kann". Das führe Menschen in die Kriminalität.

Zu wenig für ÖVP

Der ÖVP war aber auch der neue Vorschlag zu wenig. So stört die Schwarzen, dass der Deckel nur für neue Antragsteller und nur für arbeitsfähige Vollbezieher gelten würde. Innenminister Wolfgang Sobotka unterstellte ob der Verhandlungstaktik Stögers gar, die SPÖ habe gar kein Interesse an einer Einigung. Sein Zugang: Auch nach den geplanten Kürzungen habe Österreich noch immer die höchsten Leistungen im EU-Vergleich.

Die Positionen liegen jedenfalls weit auseinander. Während die ÖVP noch weitere Verschärfungen fordert, ging den Wiener Grünen, die in der Bundeshauptstadt mit der SPÖ regieren, schon der letzte Stöger-Kompromiss zu weit. "Das ist bereits der ÖVP-Vorschlag und eindeutig abzulehnen", kritisierte Landessprecher Joachim Kovacs im Gespräch mit dem STANDARD.

Der Deckel von 1.500 Euro "ist rechtswidrig", sagt Kovacs. Zudem könne man mit dem geplanten Sockelbetrag für Asylberechtigte von 520 Euro in Wien nicht überleben. Den Streit zwischen der Bundes-SPÖ und der Bundes-ÖVP bezeichnet er als "Scheindebatte auf dem Rücken der Ärmsten".

"Das Limit erreicht"

Differenziert äußerte sich der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ). Für ihn war mit dem neuen Vorschlag "das Limit erreicht". Soll heißen: Ein Deckel von 1.500 Euro für arbeitsfähige Vollbezieher wäre "okay", damit könne die Wiener SPÖ "durchaus leben". Bisher hatten sich auch die Wiener Roten gegen einen Deckel ausgesprochen. "Wir sind bereit, in diesen ganzen Verhandlungen sehr weit zu gehen", sagte Häupl.

Vehement sprach er sich aber weiter gegen eine Unterscheidung zwischen österreichischen Staatsbürgern und Asylberechtigten aus. Eine Kürzung für Asylberechtigte wie in Oberösterreich sei "verfassungswidrig" und ein absolutes "No-go". Ablehnend äußerte sich Häupl aber auch zum ins Spiel gebracht Sockelbetrag für Asylberechtigte. Wenn man keine einheitlichen Leistungen zustande bringe, könne man gleich zu den alten Regelungen der Sozialhilfe zurückkehren.

Plan B wird später besprochen

Über einen Plan B für Wien, sollte die Mindestsicherungsvereinbarung Ende des Jahres auslaufen, wollte Häupl nicht sprechen. Es gelte weiterzuverhandeln, um eine gemeinsame Lösung mit allen Bundesländern zu erzielen – "wenn es nötig ist, bis am 31. Dezember zu Mittag", sagte Häupl. "Ich bin ergebnisorientiert und nicht zeitorientiert." Bei einem ersatzlosen Auslaufen des Vertrags müssten ab 2017 zudem die Länder alleine die Krankenversicherung der Mindestsicherungsbezieher zahlen. Heuer schießt der Bund rund 50 Millionen Euro zu.

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) ist der Ansicht, dass sich seine Partei bei den Verhandlungen bereits "wesentlich" bewegt hat. Nun sei es an der Zeit, dass sich der Koalitionspartner bewege. Sollte es nicht gelingen, eine bundeseinheitliche Regelung zu beschließen, sei auch das zu akzeptieren.

Vor dem Ausfall dieses Kostenersatzes warnte auch Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP). Mit unterschiedlichen Landesregelungen werde die Welt aber auch nicht untergehen, ist Wallner überzeugt. Die grüne Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker kündigte für diesen Fall bereits an, sich um eine Abstimmung der westlichen Bundesländer bemühen zu wollen – "damit die Bewegungen nicht zu gravierend werden". (David Krutzler, Günther Oswald, APA, 8.11.2016)