Brauchen Frauen einen eigenen Ski?", fragt der deutsche Sportausstatter Bittl auf seiner Website. Seine Antwort: "Frauen haben eine andere Fahrweise als Männer, sie tendieren zu einer kraftsparenden, eleganten Technik." Soll heißen: Schweres Gerät ist out. In drei Punkten unterscheiden sich die Damenbrettln: vom Gewicht her leichter, weicher im Material, mit einer nach vorn versetzten Skibindung – dadurch soll sich der Ski leichter drehen.

Lady-Carver verzeihen Fehler eher, heißt es, seien komfortabler. Doch hat frau sich schließlich zu Mädelsbrettern durchgerungen, kommt die nächste Frage: Ein Lady-Carver für Sportliche, ein Allrounder für Genießer oder ein breiterer Allmountain-Damenski für alle Schneearten? Fragen über Fragen.

Doch was ist Hype, was echter Bedarf? Klar ist: Der Skimarkt folgt vor allem dem einen – der Ausdifferenzierung. Längst gibt es Outdoorjacken zum Wandern, Weitwandern, Bergsteigen, Klettern, Eisklettern, Skitourengehen, für Trailrun, Hochtouren – der vielseitige Alpinist "braucht" an die acht Jacken im Schrank, Softshells und Fleeces nicht mitgerechnet.

Lady-Carver seien komfortabler, heißt es auf der Webseite eines Sportausstatters, doch sind Frauenski wirklich nötig?
Foto: Atomic

Doch zurück zum Ski. Fast alle großen Marken führen heute gendergerechte Ski im Programm, dazu passende Outfits von der Brille bis zum Schuh. Bei Atomic heißen die Damenserien "Cloud", "Affinity" oder "Vantage". Bei Fischer laufen sie unter "Breeze", "Koa" oder "MyStyle". Rossignol hat seine "Temptation"-Reihe um die "Unique"-Serie erweitert. Und bei Head werden Damenski laut Slogan "100% von Frauen, 100% für Frauen" entwickelt und heißen dann "Mya" oder "Joy Kollektion".

Anders gebaut

Auch die Schweizer Firma Stöckli zieht mit. Als letzte verbliebene größere Schweizer Marke fertigt der Hersteller seine Modelle per Manufaktur im eigenen Land. Zudem bildet Stöckli aus, vorzugsweise gelernte Schreiner, die ein zusätzliches Jahr als Skibauer absolvieren. Entwicklungschef Mathieu Fauve ist studierter Bauingenieur.

Zwölf Jahre forschte er für das renommierte Schweizer Institut für Lawinen- und Schneeforschung (SLF) in Davos, leitete zahlreiche Research & Development-Projekte (R&D) für die Wintersportindustrie. Seit 2010 entwickelt er Ski für Stöckli, für den Renn- und Breitensport. Fauve feilt an Rennhobeln für Asse wie Tina Maze oder Viktoria Rebensburg und übernimmt die Innovationen für den Breitensport. Bis zu 50.000 Paar Ski verkauft die Marke im Jahr, darunter Damenmodelle wie der Otwo Motion, Axis Motion, Spirit Motion oder Stormrider Motion.

Auch die Schweizer Firma Stöckli zieht beim Damenski-Trend mit.
Foto: egelmaierphotography-Stockli

Fauve sagt: "Frauen fahren tendenziell mit weniger Kraft und sind anatomisch anders gebaut, haben weniger Gewicht, einen leicht veränderten Schwerpunkt und kleinere Füße. Das sind alles Parameter, die in die Damenski-Entwicklung einfließen." Und in puncto Design? Fauve verrät: "Wir lassen Damenski auch optisch möglichst leicht wirken und unterstreichen das durch passende Farb- und Formenwahl. Wir vermeiden eine zu sportliche Optik und starke Farben wie Rot." Aha. Und woher stammen die Farbtrends, Herr Fauve? "Da lassen wir uns von der Modebranche inspirieren. Weil sie Farbtöne sehr früh lanciert. Aber nicht alle Modefarben sind für einen Ski einsetzbar ... auch wenn sie bei der Bekleidung trendy werden."

Brettl-Frage

Wie g'führig ist so ein Stöckli-Damenski nun wirklich? Fragen wir Jürg Haltmeier aus Luzern. Der Schweizer ist Bergführer und Geschäftsführer von Berg+Tal, der größten Alpinschule des Landes. Er sagt: "Wir fahren auf Stöckli ab. Die Frauenmodelle kommen sehr gut an, weil sich diese einfach fahren lassen, von Damen wie von Herren."

Wer mit Haltmeier über Gewicht diskutiert, kann dazulernen. Seine Rechnung lautet folgendermaßen: "Die gesamte Stöckli-Skipalette orientiert sich an der Abfahrtsperformance. Sie sind etwas schwerer als die Modelle der Mitbewerber. Dafür bringt das klare Vorteile in der Abfahrt: weniger Stürze und Kraftverschleiß, gerade in wechselhaftem, anspruchsvollem Terrain. Da braucht man Speed. Und muss die Kurven fahren, nicht rutschen wie auf der Piste. Bei 20 Zentimeter Powder oder fünf Zentimeter Firn kann man nicht viel falsch machen."

Überfällige Entwicklung

Aber ist der Damenski nun Hype oder ein echter Bedarf? "Aus meiner Sicht ist dies eine überfällige Entwicklung. Die Frau als Zielgruppe wurde lange vernachlässigt. Die Motivation der Outdoorindustrie dürfte aber auch darin liegen, stagnierende Umsätze mit der Zielgruppe der Outdoor-Frauen zu korrigieren."

Fragen wir zum Abschluss eine, die quasi nichts anderes tut als Ski fahren: Viktoria Rebensburg. Das Olympia-Gold-Mädel stammt vom Tegernsee, fährt bei Rennen den eigens angepassten "Stöckli Laser GS" – einen Riesenslalomski. Fahren Frauen anders Ski? Rebensburg sagt: "Klar! Schon aufgrund der körperlichen Unterschiede in der Anatomie, es wirken andere Hebel, und Männer haben mehr Kraft. Deshalb unterscheidet sich auch der Fahrstil sowohl im Freizeit- als auch im Rennsport meist deutlich.

Männer fahren eher kraftbetont, Frauen im Schnitt eher technischer, brauchen also Ski, die sich leichter drehen lassen." Abschließend meint Rebensburg: "Der Bedarf an unterschiedlichen Skiern bezüglich Fahreigenschaften ist definitiv da. Das erleichtert es, dass jeder am Ende ein Modell findet, mit dem er oder sie Spaß hat." (Franziska Horn, RONDO, 11.11.2016)