Tallinn – Nach seinen beiden Koalitionspartnern hat Estlands Ministerpräsident Taavi Roivas erwartungsgemäß auch sein politisches Amt verloren. Das Parlament in Tallinn votierte am Mittwoch mehrheitlich für die vorzeitige Absetzung des Liberalen an der Regierungsspitze des baltischen EU- und NATO-Landes. Für den Misstrauensantrag der Opposition stimmten 63 der anwesenden 91 Abgeordneten, 28 waren dagegen.

Neben den drei Oppositionsparteien stimmten für Roivas' Absetzung auch Abgeordnete seiner beiden bisherigen Bündnispartner, die ihn zuvor schon nach dem Bruch der Regierungskoalition zum Rücktritt aufgerufen hatten. Dagegen verwehrte sich Roivas zunächst und bestand auf dem formellen Misstrauensvotum. Mit seinem Sturz muss nun auch das gesamte Kabinett zurücktreten. Bis zur Bestätigung einer neuen Regierung bleibt es aber geschäftsführend im Amt.

Jüngster Regierungschef

Roivas war im März 2014 mit 34 Jahren zum damals jüngsten Regierungschef der EU ernannt worden. Nach den Parlamentswahlen im Frühjahr 2015 stützte er sich auf ein Koalition seiner liberalen Reformpartei (30 Sitze) mit den Sozialdemokraten (15 Sitze) und dem konservativen Wahlbündnis IRL (14 Sitze). Das Dreierbündnis zerbrach jedoch zu Wochenbeginn über den Streit über die Entsendung von Parteienvertretern in die Aufsichtsräte von Staatsunternehmen

Nach einem Rundfunkbericht kündigten die Sozialdemokraten und IRL gemeinsame Koalitionsgespräche mit der oppositionellen Zentrumspartei (27 Sitze) an. Die linksgerichtete Kraft galt wegen ihres kontroversen Übervaters und langjährigen Vorsitzenden Edgar Savisaar politisch lange als Tabu und koalitionsuntauglich. (APA, 9.11.2016)