Ernährung ist ein komplexes Forschungsfeld. Was gesund ist und was nicht, lässt sich nur schwer messen.

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100 Ernährungs-Mythen, 220 Seiten, Preis: € 19,90. Zu bestellen unter: www.konsument.at/ernaehrungsmythen

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Wien – Eine Anekdote aus der Kindheit: Das Beste an Frühsommertagen waren die Kirschen aus Nachbars Garten. Etwas bitter schmeckten hingegen Omas mahnende Worte: "Wer Kirschen isst, darf kein Wasser trinken. Sonst drohen schreckliche Bauchschmerzen." Eine Drohung, die sich nie bestätigte.

Dafür wurden viele andere Themen rund ums Essen untersucht. Eine Datenbankrecherche zu Ernährung ergibt rund 1,4 Millionen Studien. "Trotzdem spielen Mythen bei kaum einem Gesundheitsthema eine größere Rolle als bei Ernährung und Nahrungsergänzung", sagt Gerald Gartlehner, Leiter des Departments für Evidenzbasierte Medizin (EbM) der Donau-Uni Krems.

Er und sein Team haben deshalb gemeinsam mit dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) insgesamt 100 Ernährungs-Mythen auf ihre wissenschaftliche Evidenz geprüft. Das Ergebnis ist ernüchternd, denn manche Fragen sind wissenschaftlich noch gar nicht untersucht. Etwa, ob Hühnersuppe bei Erkältung hilft? Oder Ingwer gegen Brustkrebs wirkt? "Wir wissen es einfach nicht", so der Experte.

Es fehlt an guten Studien

Ein weiteres Problem: Relativ häufig ist die wissenschaftliche Beweislage unzureichend. Das heißt, es gibt dazu keine aussagekräftigen Studien, oder die einzelnen Untersuchungen ergeben ein widersprüchliches Bild. So herrscht beispielsweise keine Klarheit darüber, ob übermäßiger Bier- oder Alkoholkonsum zu Übergewicht führt und moderate Mengen an Rotwein gegen Arteriosklerose bzw. Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen.

Das hat vor allem zwei Gründe: "Gute Ernährungsstudien sind sehr schwierig durchzuführen, da viele unterschiedliche Faktoren einen Einfluss haben und das Ergebnis verzerren können. Wir wissen etwa, dass Menschen, die sich ausgewogen ernähren, auch eher Sport treiben und mehr auf ihre Gesundheit achten. Zudem fehlt es in diesem Bereich an finanzieller Power, so wie für Medikamentenstudien der Pharmaindustrie", erklärt Gartlehner.

Geld verdienen

Fakt ist: Wer in Ernährungsfragen völlige Gewissheit haben will, kann nur enttäuscht werden. "Sicherheit wird es nie geben, wir arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten", sagt der Experte. Ein paar Ernährungs-Mythen konnten die Forscher dennoch entkräften. Wer unabsichtlich Apfelkerne verspeist, braucht sich um seine Gesundheit keine Sorgen zu machen. Zwar wird das darin enthaltene Amygdalin im Körper zu Blausäure umgewandelt, doch für eine ordentliche Vergiftung müsste man mindestens ein Kilogramm Kerne zerkauen und schlucken. Wer hingegen regelmäßig zu Multivitaminpräparaten greift, kann sein Leben ziemlich sicher nicht verlängern.

"Wir wollen den Konsumenten eine Grundlage für eine informierte Entscheidung geben, denn das hart verdiente Geld kann auch anders ausgegeben werden als für Chia-Samen oder Nahrungsergänzungsmittel", sagt Gartlehner. "Gesundheitsbezogene Aussagen über Ernährung sollten stets mit einer gesunden Portion Skepsis betrachtet werden", ergänzt Rainer Spenger, Geschäftsführer des VKI.

Übrigens: die Frage mit den Kirschen und dem Wasser ist bis heute nicht geklärt. Dafür hat sich zwar Oma, aber noch kein Wissenschafter interessiert. (Günther Brandstetter, 10.11.2016)