Lambchop – Flotus (City Slang / Universal)

cover: city slang

Nicht nur Krankenhausserien-Soundtracklieferant Bon Iver verstört auf seinem aktuellen Album 22, A Million mit dem vom R ’n’ B und zuvor von hunderttausend untalentierten Gesangsschnepfen entlehnten Autotune-Programm. Mit dem kann man fehlende Melodiesicherheit angleichen oder gleich eine Mickymaus-Stimme destillieren. Eingedenk der Tatsache, dass der britische Dubstep-Songwriter James Blake vor einigen Jahren gleich eine Kunst aus dem artifiziellen Umgang mit Autotune machte, hat sich mit Ende 50 auch Kurt Wagner noch einmal kreativ neu orientiert.

Kurt Wagner und Lambchop.
Foto: City Slang/Michael Schmelling

Kurt Wagner kennt man seit gut zwei Jahrzehnten als Kopf der Formation Lambchop, die in Nashville, Tennessee beheimatet ist und sich bisher naturgemäß mit Country und Americana beschäftigte. Allerdings bedeutet das im Falle des sehr melodiös im Knödelbariton sprechsingend vortragenden Wagner nicht nur Texte mit Matura. Auch die Musik Lambchops muss man sich bei aller Heimatverbundenheit eher kammermusikalisch und zart soulig als von Viehtreibern und Line Dance beeinflusst vorstellen.

Lambchop

Nach Jahren in der gehaltvollen wie gemütlichen Routine hat sich Wagner stilistisch also umbesonnen und produziert nun unter dem Einfluss von Kanye West, Frank Ocean und Kendrick Lamar eine bizarre Form von Redneck-R-’n’-B, die die Faulheit nicht rausnimmt, aber statt Rockinstrumentarium auch den Laptop verwendet und statt wässrigem Bier Spumante schlürft. Tolle Sache. (schach, Rondo, 11.11.2016)